Die Unterrichtssprache im Deutschkurs

oder: welche Sprachen muss ich sprechen können, um Flüchtlingen Deutsch beizubringen?

Via Facebook und Twitter haben mich mittlerweile schon einige Fragen zum Deutschkurs erreicht – und eine war immer gleich: Die Frage nach der Verständigung.

Die meisten Flüchtlinge haben Muttersprachen, die hier in Deutschland nicht sehr geläufig sind, z.B. Arabisch, oder von denen hier außer einer Handvoll Sprach- und AfrikawissenschaftlerInnen noch nie jemand etwas gehört haben, zum Beispiel Tigrinya, eine der Sprachen in Eritrea.

Einige Flüchtlinge verfügen über Kenntnisse in hier verbreiteten Sprachen wie Englisch, Französisch, Russisch oder Italienisch; aber zunächst einmal ist davon auszugehen, dass Lehrkraft und KursteilnehmerInnen keine gemeinsame Sprachgrundlage haben.

Mich erreichten deshalb Fragen wie:

  • Muss ich Arabisch können, um Deutsch unterrichten zu können?
  • Mein Englisch ist ziemlich eingerostet – reicht das, um deutsche Grammatik zu erklären?
  • Wie verständige ich mich mit den KursteilnehmerInnen?!

Was auf den ersten Blick wie ein großes Problem aussieht, ist eigentlich gar keines.

Klingt doof, aber: um Deutsch zu unterrichten, muss man nur Deutsch können. Naja, einige Fachkenntnisse über die deutsche Sprache, didaktisches und pädagogisches Wissen wären natürlich  auch nicht schlecht…. ;) Aber fließendes Arabisch gehört nicht zu den Voraussetzungen, um einen Deutschkurs anbieten zu können!

Warum? Weil der Unterricht von der ersten Stunde auf Deutsch abläuft.

Denkt mal an die Schulzeit zurück – da hattet ihr ja mit Sicherheit Englischunterricht, und vielleicht auch Französisch oder Spanisch. Hat euer Lehrer da mit euch Deutsch gesprochen? Mit Sicherheit nicht. In den modernen Fremdsprachen gilt der Grundsatz, dass der Unterricht in der jeweiligen Sprache abgehalten wird und die Muttersprache (in diesem Fall Deutsch) nur im Notfall, etwa bei schwierigen Grammatikerklärungen) genutzt wird. (Wer sich durchs Latinum quälen musste und jetzt sagt „Hey, der Lateinunterricht war aber auf Deutsch?!“ – stimmt! Bei Latein und Altgriechisch bedient man sich der sogenannten Grammatik-Übersetzungsmethode, einem anderen (veralteten) didaktischen Ansatz.) Also, zurück zum Deutschkurs für Flüchtlinge:

In den ersten Lektionen steht das Erlernen von Phrasen im Mittelpunkt, zum Beispiel Begrüßungen und Verabschiedungen (Hallo, Guten Morgen, Auf Wiedersehen), Vorstellungen (Ich heiße XY, wie heißen Sie?) oder die Frage nach dem Befinden (Wie geht es dir? Mir geht es gut, mir geht es nicht so gut).

Alles nur (leere) Phrasen?!

Diese Wendungen muss man nicht erklären – die kann man einfach vorspielen! „In Germany, we say „Hallo“..“? Nö, derartige Erklärungen braucht man echt nicht. Es kann gut sein, dass die KursteilnehmerInnen Begrüßungen und Co schon irgendwo aufgeschnappt haben und schon kennen. Und wenn nicht, lassen sich „Hallo“ und „Tschüß“ einfach demonstrieren, indem man den Raum verlässt bzw. betritt, dabei ein bisschen übertrieben winkt und die Phrasen benutzt. Das versteht man unabhängig von der Sprache ganz schnell.

Schauspielerei

Als DeutschlehrerIn sollte man wirklich keine Scheu davor haben, ein bisschen zu schauspielern – also Gestik und Mimik zu benutzen, im Raum präsent zu sein und Dinge mit vollem Körpereinsatz, Hand und Fuß zu vermitteln.

Wie könnten „Guten Morgen“ oder „Gute Nacht“ gestisch dargestellt werden? Zum Beispiel durch Strecken und Gähnen, das Reiben der Augen oder das Klingeln eines Weckers. Gar kein Problem! Und im Zweifelsfall gibt es ja immer Illustrationen oder Fotos in den Lehrbüchern.

Gestiken lassen sich auch prima dauerhaft in den Unterricht einbauen, zum Beispiel das Finger-vor-den-Mund-Shh als Zeichen, jetzt leise zu sein. Oder das Zeigen mit der Hand zum Ohr als Hinweis darauf, dass nun eine Hörübung folgt und ganz genau zugehört werden soll.

Verstehens-Domino-Effekt

Wenn man nicht gerade einen total durchmischten Kurs hat, können auch starke KursteilnehmerInnen für die Schwachen übersetzen – es reicht also im Zweifelsfall, wenn eine Person etwas verstanden hat und es kurz in der Muttersprache erläutert.

Vom Beispiel zur Regel

Und wie ist das mit der Grammatik? Wie kann ich abstrakte Grammatik erklären?

Lehrwerke für Beginner versuchen meist, die Erklärungen induktiv zu gestalten, also einige Beispiele zu zeigen, von denen sich auf eine Regel schließen lässt. Das Gegenstück heißt „deduktiv“ – hier findest du eine kleine Übersicht über induktive und deduktive Methoden im Grammatikunterricht.

Englisch bitte nur in kleinen Dosen

Fall es eine Vermittlersprache gibt, die beide Seiten einigermaßen sprechen (zum Beispiel Englisch) sollte Deutsch dennoch die Hauptunterrichtssprache sein. Das heißt aber nicht, dass Englisch komplett „verboten“ ist – es ist durchaus ratsam, an manchen Stellen Vergleiche mit dem Englischen einzubauen. So gibt es zum Beispiel viele „False Friends“, die wir wahrscheinlich auch schon aus dem Englischunterricht kennen. „To become“ heißt eben nicht „bekommen“; und viele Vokabeln werden ähnlich, aber nicht genau gleich geschrieben (z.B. Adresse und address).

Also, ein Fazit zum vermeintlichen Verständigungsproblem im Sprachkurs:

  • Deutsch ist von Anfang an die Unterrichtssprache
  • Falls es Vermittlersprachen gibt, können diese gelegentlich hinzugezogen werden, um auf ähnliche Konstruktionen oder False Friends hinzuweisen
  • Die Kommunikation verläuft buchstäblich „mit Händen und Füßen“, also durch den Einsatz von Gestik und Mimik
  • Bilder sind sprachunabhängig und finden sich zum Beispiel im Lehrwerk, in Bildwörterbüchern oder einfach via Google
  • Komplizierte Grammatikerklärungen sind am Anfang überhaupt nicht notwendig, viel läuft über Phrasen
Titelbild: von Francisco Osorio via flickr.com (CC BY 2.0)

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