Für Muslime hat vor kurzem der Fastenmonat Ramadan begonnen. Mit Sicherheit haben die meisten DeutschlehrerInnen auch muslimische KursteilnehmerInnen in ihren Klassen, die fasten und somit tagsüber auf Essen und Trinken verzichten.
Auf Facebook habe ich schon einige Diskussionen verfolgt, in denen darüber gesprochen wurde, wie man sich als nichtmuslimische(r) LehrerIn in dieser Zeit verhalten soll. So wurde zum Beispiel diskutiert, ob man aus Solidarität oder Höflichkeit ebenfalls auf das Essen und Trinken verzichten solle oder nicht.
Ich habe mich deshalb mit Merve Kayikci über das Fasten im Ramadan allgemein und über den Einfluss auf den Unterricht unterhalten. Merve ist Muslima und bloggt auf primamuslima.de unter anderem über das muslimische Leben in Deutschland.
Was ist Ramadan genau? Warum fastet man?
Der Ramadan ist der 9. Monat des islamischen Kalenders. Jeder Monat umfasst einen Mondzyklus, der 28 oder 29 Tage dauert, weshalb sich der Beginn des Fastens jedes Jahr um 11 Tage im gregorianischen Kalender verschiebt und derzeit vom Sommer in den Frühling wandert.
Der Ramadan ist als „Monat der Spiritualität“ einer der drei heiligen Monate des Islams. Wer diesen Monat dem Gottesdienst und dem Fasten widmet, dem werden die vergangenen Sünden vergeben.
„Der Monat Ramaḍan (ist es), in dem der Koran als Rechtleitung für die Menschen herabgesandt worden ist und als klare Beweise der Rechtleitung und der Unterscheidung. Wer also von euch während dieses Monats anwesend ist, der soll ihn fasten, wer jedoch krank ist oder sich auf einer Reise befindet, (der soll) eine (gleiche) Anzahl von anderen Tagen (fasten). Allah will für euch Erleichterung; Er will für euch nicht Erschwernis, – damit ihr die Anzahl vollendet und Allah als den Größten preist, dafür, dass Er euch rechtgeleitet hat, auf dass ihr dankbar sein möget.“
(Koran: Sure 2, Vers 185)
Wer muss fasten? Gibt es Ausnahmen?
Grundsätzlich muss jeder Muslim fasten, der gesund und nicht zu alt oder zu jung ist.
Wer krank oder schwanger ist, muss nicht fasten. Dies gilt auch für Reisende oder Menschen, die für ihren Erwerb schwer arbeiten müssen. Frauen, die ihre Periode haben, sind hingegen verpflichtet, während dieser Tage nicht zu fasten.
Die verpassten Fastentage müssen bis zum nächsten Ramadan nachgeholt werden; alternativ kann auch ein Geldbetrag für Hungernde gespendet werden.
Zum Fasten zählt der Verzicht auf Essen, Trinken, Sex und Rauchen, aber auch die Besinnung auf gute Tugenden, wie Teilen, Spenden, seinen Zorn im Zaum halten oder Vergeben.
Wie sieht der Tagesablauf aus?
Morgens steht man früh auf, bevor die Morgendämmerung beginnt, um zu essen und zu trinken. (Sahur)
(Es wird häufig gesagt, dass Sonnenauf- und untergang die Zeitpunkte sind, die Beginn und Ende des Fastens markieren. Das stimmt nicht ganz. Der Fastentag beginnt bei Morgendämmerung und endet während der Abenddämmerung. Um wie viel Uhr das genau ist, kommt auf den benutzten Gebetskalender und den Standort an. Neuerdings gibt es sogar Ramadan-Apps, die einem die korrekten Termine anzeigen. Fun fact: wenn man im Weltall ist, orientiert man sich an Mekka, also an den dortigen Zeiten der Morgen- und Abenddämmerung.)
Man muss die Absicht haben, aufzustehen und sollte mindestens Wasser trinken.
Im Zeitraum von Morgendämmerung bis Sonnenaufgang wird das Morgengebet gesprochen.Ob man dann wachbleibt oder erneut schläft, bleibt einem selbst überlassen. Den Tag über darf man dann nicht essen, trinken, rauchen oder auch Medikamente einnehmen. Das Einkaufen und Zubereiten von Lebensmitteln ist erlaubt.
Wenn die Abenddämmerung beginnt, darf man wieder essen. Es wird übrigens empfohlen, das Fastenbrechen mit dem Verzehr einer Dattel zu beginnen. (Iftar) Im Ramadan gibt es am Abend ein zusätzliches Gebet: Das Teravih-Gebet. Es ist kurz und wird dafür öfter und bevorzugt in Gemeinschaft gebetet.
Wie fühlt es sich an, den ganzen Tag nichts zu essen und zu trinken? Welche Symptome äußern sich?
Man ist vor allem müde – nicht nur wegen des fehlenden Essens, sondern gerade weil der Schlafrhythmus durcheinander gebracht wird. Der Hunger ist komischerweise nicht so dominant, weil der Durst im Vordergrund steht.
Für Sport hat man keine Energie – das ist auch der Grund, warum (Berufs-)Sportler meistens nicht fasten, wenn sie ein wichtiges Turnier oder Spiel haben.
Auch die Konzentrationsfähigkeit ist nicht so gut wie normal. Das betrifft vor allem SchülerInnen und StudentInnen. Die meisten Imame sagen, dass man an Klausurentagen nicht fasten muss, doch wenn man beim Lernen fastet, bringt das einem nicht viel.
Der Sinn des Fastens ist, sich (auf seinen Geist) zu reduzieren, die Energie zurückzufahren und nur das machen, was wichtig ist – „Den Geist mit spiritueller Nahrung sättigen“. Das ist in Deutschland durch den Alltagsstress viel schwieriger als in überwiegend muslimischen Ländern, in denen der Ramadan von vielen praktiziert wird und die Gesellschaft verständnisvoller umgeht mit längeren Pausen und kürzeren Arbeitstagen zu dieser Zeit..
Wie ist es für die fastenden Muslime, wenn eine Person in ihrer Gegenwart isst/trinkt? Sollte man darauf auf Solidarität verzichten?
Das Gemeinschaftsgefühl hilft beim Fasten ungemein – allerdings fühlt sich eine fastende Person normalerweise nicht „verführt“, wenn eine nicht-fastende Person in ihrer Gegenwart isst oder trinkt. Man hat im Normalfall ohnehin Durst oder Hunger. Trotzdem ist es freundlich, neben einem Fastenden von sich aus auf den Verzehr von Getränken und Speisen zu verzichten. Zumindest ist es störend ständig gefragt zu werden, ob man Hunger hat oder etwas essen möchte, weil das immer wieder die Konzentration des Fastenden auf den Hunger lenkt.
Die Frage „Ist es okay für dich, wenn ich hier esse/trinke?“ kann auch stören – denn wie soll man darauf antworten? Sie zu verneinen wäre sehr unhöflich.
Letztendlich ist es aber individuell, wie man mit der Belastung des Fastens umgeht und wie sehr einen dabei das Umfeld beeinflusst.
Welche Tipps gibt es für die Unterrichtsgestaltung während des Ramadans?
- nicht so viel körperliche Betätigung verlangen
- wegen der Konzentrationsschwierigkeiten den Unterricht kürzer und abwechslungsreicher gestalten
- Keine langen Texte vorlesen oder laut sprechen und vortragen lassen, da es den Mund austrocknet
- Hausaufgaben und Unterricht sind generell als gut zu bewerten, da sie Struktur in den Tag bringen und die Zeit schneller herumgehen lassen, wenn der Unterricht Spaß macht
- im Notfall sollten die Schüler das Fasten brechen oder sich krankschreiben lassen
Allgemeine Ernährungstipps, um das Fasten besser durchzuhalten:
- wenig Süßes essen und trinken (keine Limonade etc), damit der Cholesterinspiegel konstant bleibt, große Ausreißer machen einen noch müder
- kein Wasser mit Kohlensäure trinken, weil das schnell zu Völlegefühl führt
- klares, lauwarmes Wasser trinken. Sehr kaltes Wasser führt zu Magenkrämpfen
- sättigende und ballaststoffhaltige Nahrung essen, z.B. Bananen, Datteln; Gemüse; Bulgur etc
Vielen Dank für das Gespräch, Merve!
Titelbild via pexels.com (CC0)
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