Leitfaden Einstieg – wie starte ich einen Deutschkurs für Flüchtlinge?

Ich möchte Flüchtlingen Deutsch beibringen – wie fange ich an?!

Wer neu ins Ehrenamt mit Geflüchteten einsteigen will, wendet sich am besten an eine örtliche Organisation. Dazu gehören Flüchtlingsfreundeskreise oder Asylhilfsvereine, AsylkoordinatorInnen der Stadt oder Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz oder die Caritas. Wenn man Glück hat, gibt es schon Angebote, in die man sich einfügen kann.

An manchen Orten gibt es jedoch noch keine Kursstrukturen; oder diese benötigen eine Neustrukturierung. Für diesen Fall habe ich diesen Leitfaden zusammengestellt, wie ihr in 14 Schritten einen Deutschkurs starten könnt:

(Tipp: Am Ende des Beitrags gibt es die 14 Schritte als Infografik)


Schritt 1: Reflexion

Reflektiere deine eigene Rolle:

  • Was kann ich? Was will ich machen? Wozu bin ich bereit?
  • Wie viel Zeit kann und will ich (regelmäßig) aufbringen?
  • Möchte ich einzelne Personen betreuen (Nachhilfe, Sprachcafé) oder mit einer ganzen Gruppe (Kurs) arbeiten?
  • Welche Erfahrungen habe ich schon? Was will ich lernen?
  • Was kann oder will ich nicht machen?
  • Welche anderen Personen möchten mitmachen? Wie können wir unsere Rollen verteilen?

Linktipp: Positiver, erster Kontakt zu Deutsch ist entscheidend (Bzgl. Reflexion)

Schritt 2: Bedarfsanalyse

Was wird überhaupt gebraucht?

Verschafft euch einen Überblick über die Personen, die mit euch Deutsch lernen wollen. Welche Vorkenntnisse haben sie? Können sie schon etwas Deutsch? (Einstufungstest) Sind sie lerngewohnt oder lernungewohnt? Welche Erwartungen haben sie an den Kurs?

Linktipps: Lernungewohnte Flüchtlinge im Deutschkurs; Motivation erkennen und fördern

Versucht, die Personen anhand dieser Eigenschaften in Gruppen aufzuteilen. Achtet auch auf „softe“ Kriterien, zum Beispiel: Wer versteht sich gut miteinander?

Freunde oder Familienmitglieder in einem Kurs zu unterrichten kann problematisch sein (Scham, sozialer Druck) oder gut klappen (gegenseitige Unterstützung, positiver Wettbewerb/Gruppendruck). Ihr müsst es ausprobieren und die Kurse zur Not ändern.

Schritt 3: Kurskonzept

Im vorherigen Schritt habt ihr herausgefunden, wer eure Kursteilnehmer sind und welche Voraussetzungen sie mitbringen. Davon ausgehend müsst ihr nun entscheiden, was für einen Kurs oder was für Kurse ihr anbieten wollt.

Zum Beispiel:

  • schneller/langsamer Kurs (Stichwort: Progression) mit festen Gruppen
  • offenes Sprachcafé für unregelmäßige BesucherInnen
  • Konversationskurs
  • betreute Hausaufgabengruppe für diejenigen, die schon einen anderen Kurs besuchen und zusätzliche Betreuung brauchen

Schritt 4: Team zusammenstellen

Sucht weitere Leute, die als LehrerIn oder SprachbegleiterIn mitarbeiten möchten. Falls es schon einmal Kurse gab und ihr die Angebote ‚nur‘ umstrukturiert, dann überprüft: wer will weiter dabei sein? Welche Aufgaben fand diese Person gut oder schlecht? In welche Bereiche hat sich die Person schon eingearbeitet?

Verteilt die Aufgaben:

  • Wer übernimmt welchen Kurs?
  • Unterrichtet ihr alleine oder zu zweit?
  • Wer will nur ab und zu mitmachen, zum Beispiel beim Sprachcafé?

Schritt 5: Kursraum suchen

Sucht einen Ort für euren Kurs, oder klärt ab, ob ihr den bisherigen Raum weiterhin benutzen dürft.

Linktipp: Wie finde ich einen Unterrichtsraum für den Sprachkurs?

Schritt 6: Rahmenbedingungen

Klärt die Rahmenbedingungen für euren Kurs:

  • Arbeitszeiten und andere Termine, die den Kursbesuch definitiv verhindern
  • Alternative Angebote, die mit den Kurszeiten kollidieren
  • Wie kommen die TN von ihrem Wohnort zum Kursraum? (Busfahrzeiten?)
  • Muss Kinderbetreuung organisiert werden?
  • Welche Vorbereitungen für den Raum müssen getroffen werden?

Schritt 7: Kurszeiten festlegen

Wann ist der Raum verfügbar? Wann haben die Lernenden und die Lehrer Zeit? (vgl. Schritt 6)

Legt Zeit und Ort für den Kurs/die Kurse fest und kommuniziert das Kursangebot an die Teilnehmenden. Teilt feste Gruppen ein, wenn möglich.

Schritt 8: Unterrichtsmaterialien

Überlegt, welches Material ihr bereits habt, was ihr noch benötigt und wie ihr das finanziert.

  • Müssen die TeilnehmerInnen eures Kurses ihre eigenen Materialien (z.B. Heft, Mappe, Stifte) mitbringen oder stellt ihr diese?
  • Was benötigt ihr für den Unterrichtsraum? (z.B. Tafel, Flipchart, Schwamm, Kreide, Flipchartstifte, …)
  • Was benötigt die Lehrkräfte? (z.B. Ordner, Stifte, Materialien für Spiele)

Gibt es ein Spendenkonto bei eurem Asylfreundeskreis, das euch bei der Finanzierung hilft?Alternativ, welche Methode für ein Sponsoring kommt in Frage? (Beispiel: Einmalige Geld- oder Sachspenden von lokalen Unternehmen; einmalige Fundraising-Events wie Spendenläufe oder -flohmärkte; Lernpatenschaften; …)

Linktipp: Welche Materialien braucht man für den Deutschkurs?

Schritt 9: Lehrwerk

Entscheidet euch für ein Lehrwerk. Für niedrigschwellige Einsteigerkurse kommen evtl. auch die Willkommenshefte in Frage. Jede/r TN sollte sein eigenes Kursbuch/Arbeitsbuch und Heft haben. (Für Sponsoring: siehe Schritt 8)

LinktippsFlowchart LehrwerkauswahlFünf kostenlose Willkommenshefte für den Anfangsunterricht mit Geflüchteten

Schritt 10: Unterrichtsplanung

Bereitet die ersten Stunden vor. Anregungen dafür gibt es zum Beispiel hier:

Linktipps:  Sprachanker Broschüre, Auf einmal DaF unterrichten (Klett), Zehn Praxistipps für einen erwachsenengerechten Deutschunterricht mit Flüchtlingen und Asylsuchenden (Hueber, PDF)Ein guter Start: Das Magazin für ehrenamtliche Sprachbegleiter (Klett)

Jetzt kann es losgehen!


Nach dem Kursstart:

Schritt 11: Kommunikationsstrukturen

Überlegt euch in eurem Team, wie ihr euch auf dem Laufenden halten werden. Trefft ihr euch regelmäßig persönlich? Nutzt ihr Online-Tools?

Linkliste: Reihe: Wie organisieren Ehrenamtliche ihre Sprachlernangebote im Team?

Entwickelt ein System, wie welches Wissen ausgetauscht wird.

  • Was behandelt ihr aktuell in euren Kursen?
  • Welche Fortschritte machen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer?
  • Wer lernt besonders schnell/langsam und sollte eventuell den Kurs wechseln?
  • Besondere Vorkommnisse?

Wenn sich mehrere Leute einen Kurs teilen, ist ein intensiver Austausch natürlich notwendig. Aber ihr solltet auch ungefähr wissen, was in „fremden“ Kursen passiert.

Schritt 12: Evaluation

Macht euch nach den ersten Stunden Gedanken, ob eure Kurse so laufen, wie ihr es euch vorgestellt habt. Passt das Angebot zum Bedarf? Sind die Gruppen gut eingeteilt? Sind die Materialien geeignet?

Holt euch das Feedback eurer TN ein. Optimiert euer Kursangebot.

Schritt 13: Vernetzung

Vernetzt euch mit anderen DaF-LehrerInnen in eurer Nachbarschaft/Stadt/Region und online.

Vernetzung bringt diverse Vorteile:

  • Was läuft bei euch gut oder schlecht? Lernt voneinander.
  • Problemlösung: Alle haben ähnliche Fragen und Probleme und es muss nicht jeder aufs Neue die Lösung entwickeln.
  • Unterstützung, Reflexion, Supervision. Unterstützt euch gegenseitig, wenn ihr Hilfe braucht; insbesondere wenn ihr euch überfordert fühlt und euch das Ehrenamt belastet.
  • Nutzt euer Netzwerk und lasst euch von Dritten unterstützen. Fragt zum Beispiel eure Stadt- oder Landkreisverwaltung, ob ihr eine/n ExpertIn für eine Fortbildung einladen könnt.

Vernetzt euch auch mit Kursträgern vor Ort (z.B. VHS, Sprachschule), zu denen eure Schülerinnen und Schüler im besten Fall wechseln können.

LinktippFacebook-Gruppen für DaF- und DaZ-LehrerInnen

Schritt 14: Weiterbildung

Euer Kurs ist gestartet und läuft hoffentlich gut. Aber ihr solltet euch nicht darauf ausruhen ;)

  • Bildet euch langfristig weiter (Didaktik, Methodik, Linguistik, Herkunftssprachen etc.)
  • Besucht Workshops
  • Hospitiert bei anderen LehrerInnen
  • Überlegt euch ein System, eure Erfahrungen festzuhalten und weiterzugeben; (Stichwort Wissensmanagement: Das Wissen, das du aufgebaut hast, darf nicht verloren gehen, wenn du dein Engagement beendest.)

Linktipps: Linkliste Qualifizierung für Ehrenamtliche, 3 Buchempfehlungen für Neu- und QuereinsteigerInnen DaF/DaZ


Hinweis: Diesen Leitfaden für den Einstieg in den Deutschunterricht habe ich basierend auf meinen eigenen Erfahrungen (Frühjahr 2015) und Gesprächen mit Ehrenamtlichen in verschiedenen Städten entwickelt. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit dieser Schritte. Auch die Reihenfolge kann bei euch variieren, wenn ihr einen Deutschkurs startet.

Wenn ihr diesen Prozess schon hinter euch habt, hinterlasst gern einen Kommentar mit euren Erfahrungen und Tipps für Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger.

Infografik