- Wie spricht man in der Physik – Einführung in die Sprache der Physik an Beispielen aus Mechanik und Elektrizitätslehre
- Autor: Bruno Liebaug
- ISBN 978-3-922989-97-4
- 80 Seiten
- zum Preis von 7,80 Euro erhältlich beim Verlag, im örtlichen Buchhandel oder auch bei Amazon
Zielgruppe
Dieses Lehr- und Übungsbuch richtet sich an Jugendliche und Erwachsene, wobei die sprachliche Voraussetzung laut Autor A2 ist. Dabei werden folgende Grammatikkenntnisse vorausgesetzt (ich zitiere aus dem Vorwort des Buches):
- „Konjugation der Verben im Präsens und Perfekt
- Modalverben in der objektiven Bedeutung
- Deklination von Nomen und Adjektiven
- Komparativ des Adjektivs
- Relativpronomen
- Nebensätze, Subjunktionen“
Das Büchlein ist sicherlich sehr gut einsetzbar als Vorbereitung auf einen Physikunterricht bzw. parallel zu einem physikalischen Sachunterricht. Aufgrund der großen Kompaktheit des Werkes vermute ich beim Einsatz im Selbstunterricht dagegen einige Probleme – zumindest kenne ich bisher nur wenige DaZ-Lerner, die dafür die nötige Selbstdisziplin und Konzentration mitbringen. Außerdem würden dann von den vier Kompetenzen – Lesen, Schreiben, Hören, Sprechen – auch zwei nicht geübt.
Anders als der Autor, der sowohl im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich als auch im DaZ-Unterricht über große Erfahrungen verfügt, wird der durchschnittliche Physiklehrer kaum für DaZ und die typischen Sprachprobleme von Nicht-Muttersprachlern sensibilisiert sein. Für diese Unterrichtenden wird das vorliegende Buch eine immense Hilfe sein. Hervorzuheben ist auch, dass es auf der Homepage des Verlags für dieses Buch einen Link „Hinweise zum Einsatz für Lehrerinnen und Lehrer“ gibt, der zu einem 30-seitigen Dokument führt, das ich allen Lehrerinnen und Lehrern, die das Buch einsetzen (möchten) sehr ans Herz legen möchte und uneingeschränkt empfehlen kann. Hier wird auch ausführlich auf die spezifische Situation eingegangen, wenn DaZ-Unterrichtende als Nicht-Physiker das Werk verwenden.
Aufbau und Inhalt
Das Buch ist in 36 Kapitel eingeteilt in denen die Themen Physik (24 Kapitel), mathematische Darstellungen (3 Kapitel) und Sprache (9 Kapitel) behandelt werden. Darin und im Layout folgt es den Vorgängerbüchern „Wie spricht man in der Mathematik?“, Band 1 und 2. Ebenso wurde von dort die bewährte und von mir sehr geschätzte Aufteilung übernommen: auf der linken Seite Einführung der jeweiligen Themen, auf der rechten Seite dazu passende Übungen.
Im physikalischen Teil werden einfache Phänomene und Gesetzmäßigkeiten von Magnetismus, Mechanik und Elektrizitätslehre behandelt. Dies ist natürlich nur ein Ausschnitt der klassischen Physik und auch diese drei Themen werden wiederum nur in Ausschnitten, allerdings den wichtigen, präsentiert. Es sind aber gerade auch diese Themen, auf denen ein späterer Physik- oder Technikunterricht oder eine entsprechende Ausbildung aufbauen. Dabei werden in diesem Buch praktisch keine Vorkenntnisse vorausgesetzt, was bei migrantischen Lernenden ja auch nicht unbedingt erwartet werden kann.
Es ist kein klassisches Lehrbuch der Physik und will es auch gar nicht ersetzen. Dennoch ist erkennbar, wie sehr sich der Autor einer korrekten – weder vereinfachenden noch unnötig verklausulierten – Fachsprache bedient. Darin unterscheidet sich das Buch in sehr angenehmer Weise von manch populärwissenschaftlichen Publikationen, die mehr populär als wissenschaftlich sind.
Eine Beschäftigung mit Physik ohne Experimente ist undenkbar, schließlich ist es eine empirische Naturwissenschaft. Idealerweise sollten die Lernenden diese Experimente selbst durchführen und beobachten. Doch obwohl sich das Buch auf sehr einfache Experimente beschränkt, wird man dies nicht immer mit haushaltsüblichen Geräten bewerkstelligen können. Wer Zugang zur naturwissenschaftlichen Sammlung einer Schule hat, wird dort auf jeden Fall fündig – Magnete, Federwaagen, Strommesser u.ä. dürften sich in jeder Sammlung finden. Doch auch wenn dies nicht möglich ist, gibt es einen Ausweg: auf der Homepage des Verlags zu diesem Buch gibt es eine Sammlung von meist etwa einminütigen Videos, auf denen der Autor die Versuche vorführt. Viele dieser Videos sind auch auf YouTube verfügbar. Dies kann zwar nicht das eigene Experimentieren ersetzen, ist aber als zweite Wahl durchaus brauchbar.
Im fachmathematischen Teil des Buches wird nur auf Vektoren eingegangen (die in den beiden erwähnten Mathematikbüchlein nicht erscheinen). Diese werden im Zusammenhang mit der Betrachtung von Kräften benötigt. Was mich persönlich hier etwas stört ist die Verwendung von fett gedruckten Buchstaben für Vektoren statt der üblichen Schreibweise mit Vektorpfeilchen über dem Buchstaben. Aber um es schon vorweg zu sagen: dies ist schon ziemlich mein einziger (und zugleich unbedeutender) Kritikpunkt an diesem Buch! – In den Übungen erscheinen nur an sehr wenigen Stellen einfache Rechnungen, bei denen mathematische Probleme eigentlich nicht zu erwarten sind. Und dass bei physikalischen Rechnungen auch die entsprechenden Maßeinheiten zu verwenden sind, ist ja auch für Muttersprachler zunächst gewöhnungsbedürftig.
Im fachsprachlichen, oder besser gesagt sprachlichen Teil werden zur Grammatik eingeführt:
- „Vorgangspassiv von Verben mit Akkusativobjekt
- Partizip I und Partizip II als Attribute
- Wortbildung
- Reflexive und reziproke Verben
- Nomen-Verb-Verbindungen: Kollokationen und Funktionsverbgefüge
- Der uneingeleitete Konditionalsatz“
Dies wird Physikern zunächst vielleicht nicht viel sagen, aber zu jedem dieser Punkte gibt es jeweils eine übersichtliche und absolut verständlich geschriebene Seite an Erklärungen mit passenden Beispielen und zur Vertiefung die gegenüberliegende Seite mit Übungen.
Was mir fast noch wichtiger erscheint und dankenswerterweise hier auch mit einfließt, ist folgender Umstand: Während es in der Mathematik eine überschaubare Anzahl von zu lernenden Fachbegriffen gibt, werden in der physikalischen Fachsprache ständig – möglicherweise neu zu erlernende – Wörter verwendet, die dem Alltagsdeutsch entstammen und zunächst gar nicht als Fachwörter erkannt werden. Beispielsweise werden unter der Überschrift „Verben zu Kraft und Bewegung“ folgende Verben durch Beispielssätze aus der Physik und anderen Zusammenhängen mit Erklärungen verdeutlicht: ausüben – aufwenden – erfahren – ausführen – setzen – sein – bleiben – kommen – versetzen – bringen – geraten.
Zusatzmaterialien
Die Homepage des Verlags bietet auf der Seite zu diesem Buch eine ganze Reihe kostenloser Downloads an:
- Die schon erwähnten „Hinweise zum Einsatz für Lehrerinnen und Lehrer“, die ich als Pflichtlektüre ansehen möchte. Zum einen sensibilisiert es Physiklehrerinnen und –lehrer ohne DaZ-Erfahrung für die sprachliche Thematik und gibt dazu auch ganz praktische Tipps, zum anderen enthält es speziell für Sprachlehrerinnen und -lehrer zu jedem Kapitel Angaben zu den Lernzielen, dem Begleitmaterial und Hinweise zu den Experimenten.
- Zusatzmaterialien und weitere Übungsblätter zu sieben Lektionen des Buches.
- Lösungen zu allen Aufgaben des Buches.
- Videoclips zu den im Buch beschriebenen Versuchen.
Fazit
Dies ist kein Standardwerk zur Einführung in die Physik, sondern ein Lehr- und Arbeitsbuch für Lernende, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Als Vorbereitung auf einen physikalischen oder technischen Unterricht bzw. parallel dazu kann ich dieses Buch uneingeschränkt empfehlen! Der Autor erweist sich erneut als Experte mit profunden Kenntnissen im sprachlichen wie auch naturwissenschaftlichen Bereich und hat es geschafft, auf nur 80 Seiten eine unglaubliche Fülle von Inhalten und Anregungen unterzubringen. Welche unermessliche Arbeit dahintersteckt, kann ich nur erahnen. Bei einem Preis von 7,80 € ist dieses Büchlein mehr als jeden Cent wert, den man dafür investiert.
Dr. Hajo Becker