- Komm rein! Der Sprachkurs Deutsch für Flüchtlinge und Asylsuchende
- Langenscheidt Verlag in Zusammenarbeit mit der Münchner Volkshochschule
- Autorin: Gunhild Brössler
- ISBN: 978-3-468-48970-9
- 64 Seiten
- für 9,99€ (inkl. Begleitheft) erhältlich im Langenscheidt-Shop, bei Amazon und anderen Buchhändlern.
Zielgruppe
Komm rein! wurde für den Unterricht mit Flüchtlingen und Asylsuchenden ohne Vorkenntnisse entwickelt. Das Buch soll eine sprachliche Erstorientierung bieten und die interkulturelle Kompetenz stärken. Da das Lehrwerk aus vielen einzelnen Lektionen ohne Progression besteht, eignet es sich vor allem für inkonsistente Gruppen bzw. Unterrichtssituationen mit hoher Fluktuation (z.B. in Erstaufnahmeeinrichtungen). Das Lehrwerk richtet sich explizit auch an Ehrenamtliche ohne Unterrichtserfahrung. Im Buch und in der begleitenden Lehrerhandreichung werden Tipps zur Durchführung des Unterrichts gegeben.
Aufbau
Komm rein! besteht aus 28 Lektionen:
- 20 „Sprachbausteine“ zu verschiedenen (inhaltlichen) Themen mit den passenden Vokabeln, Bildern und Phrasen für sehr simple Konversation
- 8 Bausteine mit einfacher Grammatik
Die Lektionen bestehen jeweils nur aus einer Doppelseite. Im Begleitheft gibt es zusätzlich eine Seite pro Lektion.
Inhalt/Themen
- Begrüßung und Vorstellung
- Formulare, Telefonnummer, Adresse
- Lebensmittel und Einkauf
- Öffnungszeiten
- Kleidung
- Mobilität und Orientierung
- Deutschland und Bundesländer
- Arbeit und Ausbildung
- Schule und Studium
- Zahlen
- Wohnen
- Wetter
- Familie
- Berufe
- Freizeit
- Krankheit und Arztbesuch
Grammatik
- ABC
- Nomen mit bestimmten und unbestimmten Artikeln
- Verbkonjugation im Präsens
- einfache Sätze im Präsens und Perfekt
- Personalpronomen
- Ja/Nein-Fragen
- haben und sein
- Adjektive
- W-Fragen
- lokale und temporale Präpositionen
Übungstypen
Weder Lehrwerk noch Begleitheft enthalten Übungen.
Zusatzmaterialien
Dem Lehrwerk liegt ein Begleitheft bei. Das Kurskonzept sieht vor, dass die KursteilnehmerInnen nicht in das Lehrwerk schreiben (damit es weiterverwendet werden kann), sondern ins Begleitheft. Im Begleitheft finden sich die gleichen Wörter und Phrasen wie im Lehrwerk. Unterhalb der Wörter ist genug Platz zum Schreiben. Das Begleitheft kann also ähnlich wie Wie heißt das? (Langenscheidt) dazu verwendet werden, sein eigenes Wörterbuch zu erstellen. Übungen enthält es allerdings keine.
Im Langenscheidt-Shop kann man auch zehn Exemplare des Begleithefts für rund 20€ bestellen oder es kostenlos herunterladen und selber ausdrucken und binden.
Die Lehrerhandreichung steht ausschließlich als PDF zur Verfügung. Man kann sie sich also ausdrucken und abheften oder binden lassen. Die Lehrerhandreichung liefert für jede einzelne Lektion einen Vorschlag zur Unterrichtsgestaltung. Im vorderen Teil gibt es außerdem eine „FAQ“ mit häufigen Fragen, zum Beispiel „Wie korrigiere ich die Teilnehmer?“ und „Welche Rolle spiele ich als Lehrer im Unterricht?“.
Begleitheft und Lehrerhandreichung können auf www.langenscheidt.de/kommrein heruntergeladen werden.
Besonderheiten des Lehrwerks
Komm rein! wurde in Zusammenarbeit mit der VHS München entwickelt. Die Autorin Gunhild Brössler unterrichtet seit 2015 in einer Erstaufnahmeeinrichtung und hat dieses Lehrwerk aus ihren Erfahrungen heraus entwickelt. Mehr Infos dazu gibt es auf der Webseite der Münchner VHS und in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung.
Die einzelnen Lektionen bauen nicht aufeinander auf und können in flexibler Reihenfolge behandelt werden. Dadurch können neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer jederzeit in den Kurs einsteigen.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Sprechen. Neue Wörter sollen im Chor gesprochen und in Beispieldialogen nachgespielt werden. Audiodateien mit eingesprochenen Dialogen gibt es nicht. Die Sprecherrolle fällt der Lehrkraft zu.
Im Lehrwerk gibt es keine Felder oder Linien für Schreibübungen. Stattdessen wird empfohlen, Begleithefte auszugeben und das Lehrwerk selbst nur für den Unterricht auszuteilen. So kann ein Klassensatz für mehrere Kurse verwendet werden.
Die Autorin empfiehlt, pro Lektion zwei bis vier Unterrichtseinheiten (=45 Minuten) einzuplanen. Komm rein! bietet also Stoff für circa 50 bis 100 Unterrichtseinheiten.
Tipps für die Lehrkraft
Komm rein! wendet sich explizit auch an neue LehrerInnen ohne Unterrichtserfahrung. Im vorderen Teil des Buches sowie in der Lehrerhandreichung gibt es Tipps zur Gestaltung des Unterrichts.
In einer Reihe mit 10 Videos gibt der Verlag Tipps für die Arbeit mit dem Buch.
Gut finde ich …
- dass es das Begleitheft und die Lehrerhandreichung als kostenlose Downloads gibt.
- die Verwendung von „Respekt“ und „Freunde“ anstelle von „Sie“ und „du“. Passende Icons wären noch gut gewesen.
- dass die Heimatkultur immer wieder miteinbezogen und mit der deutschen Kultur verglichen wird.
- die Deutschland- und Weltkarten im Buch.
- das übersichtliche Layout.
Verbesserungswürdig finde ich…
- dass die Nomen isoliert stehen. Die Artikel sollten gleich mit eingeführt werden. (In der Lehrerhandreichung wird gesagt, dass darauf bewusst verzichtet wurde, damit sich die TN „auf die Bedeutung der neuen Wörter konzentrieren [sollen]“, aber das macht es den LernerInnen meiner Meinung nach nur später schwer.)
- die fehlenden Übungen! (Das Begleitheft bietet quasi nur Platz zum Schreiben von Übersetzungen, ähnlich wie Wie heißt das?)
- dass die Hefte nicht beschrieben werden sollen.
Fazit
Ich denke, dass Komm rein! eine gute Basis für Kurse mit hoher Fluktuation darstellt. Auch den kulturvergleichenden Ansatz finde ich sehr gut.
Allerdings fehlen meiner Meinung nach definitiv die Übungen! Die Wörter und Phrasen in den Sprachbausteinen bilden lediglich eine Grundlage. In der Einführung wird den Lehrkräften empfohlen, dann zur Vertiefung „authentisches Material“, z.B. Fahrpläne, Wohnungsanzeigen oder Supermarktprospekte, mitzubringen durchzuführen. Weitere Beispiele finden sich in der Lehrerhandreichung, z.B. Exkursionen, Rollenspiele, Internetrecherchen, Filme zeigen.
Dieser Sprung hin zu echten Material oder komplexen Aufgaben ist meiner Meinung nach viel zu groß. Es fehlt eine Zwischenebene in Form von „klassischen“ Übungen (auch wenn diese von einigen Didaktikern kritisiert werden), um die neuen Wörter zu festigen. Erst dann sind Rollenspiele etc sinnvoll.
Die Lehrerhandreichung und Tipps für Ehrenamtliche sind nett gemacht und ich bewerte sie grundsätzlich positiv. Allerdings würde ich Ehrenamtlichen empfehlen, sich noch weiter zu informieren, gerade in Bezug auf verschiedene Übungstypen oder Sozialformen.
In einem Punkt muss ich der Autorin widersprechen. Auf die Frage „Können auch Analphabeten am Unterricht teilnehmen?“ antwortet sie, dass dies natürlich möglich sei und dass durch das Hören und Sprechen im Kurs und das „Nachmalen“ der deutschen Wörter auch Analphabeten lernen können. Ich plädiere dafür, Analphabeten immer von den LernerInnen, die bereits schreiben können, zu trennen und separate Angebote zu schaffen. Meiner Erfahrung nach ist es für Menschen, die Probleme mit der Schrift haben, der Besuch eines normalen Kurses alles andere als hilfreich und motivierend. (Mehr zur Alphabetisierung)
Wer mit alphabetisierten Teilnehmern in inkonsistenten Gruppen arbeitet und keine Scheu davor hat, Zusatzmaterialien entwickeln oder heraussuchen zu müssen, sollte sich Komm rein! auf jeden Fall mal anschauen. Komm rein! und Erste Hilfe Deutsch (Hueber, zur Rezension) sind meines Wissens nach die einzigen beiden Lehrwerke, die speziell für den Unterricht mit Flüchtlingen in Erstaufnahmeeinrichtungen und anderen instabilen Umfeldern entwickelt wurden.
Für stabile Kurse mit Progression würde ich jedoch andere Lehrwerke empfehlen, zum Beispiel Herzlich willkommen! Einstiegskurs Deutsch (Cornelsen, zur Rezension) oder Vorkurse, die nicht speziell auf Flüchtlinge ausgerichtet sind.