- Wie spricht man in der Mathematik? – Einführung in die Sprache der Mathematik und ihrer Anwendungsgebiete – Band 2
- Autor: Bruno Liebaug
- ISBN 978-3-922989-93-6
- 80 Seiten
- zum Preis von 7,80 € erhältlich beim Verlag, im Buchhandel oder über Amazon
Zielgruppe
Das Buch richtet sich an ausländische Jugendliche und Erwachsene, die sich auf den Besuch einer gymnasialen Oberstufe oder ein Studium im Bereich Naturwissenschaften, Technik oder Wirtschaftswissenschaften vorbereiten. Dabei werden die fachlichen Voraussetzungen durch Band 1 abgedeckt, entsprechend etwa dem Schulstoff bis Klasse 7 oder 8 einer deutschen Realschule oder Gymnasiums.
Sprachlich wird das Niveau B1 vorausgesetzt, wobei das Buch in einem mathematischen Unterricht sicherlich auch parallel zu einem B1-Kurs eingesetzt werden kann. Da das Buch aber auch für das Selbststudium gedacht ist (wozu ich später noch Anmerkungen habe), wird hierfür der erfolgreiche Abschluss eines B1-Kurses vorausgesetzt. Dies ist eine mögliche Klippe, denn nach meinen Erfahrungen wird in vielen Integrationskursen das B1-Niveau gerade mal „angekratzt“. Konkret wird folgende Grammatik vorausgesetzt:
- Relativpronomen, auch im Genitiv und mit Präpositionen
- Ergänzungssätze mit „dass“, indirekte Fragesätze
- Konditional-, Kausal-, Final-, Konsekutiv- und Modalsätze
- Vorgangspassiv
(siehe auch Informationen auf der Webseite)
Aufbau
Das Buch ist in 31 Kapiteln sehr übersichtlich aufgebaut. Farblich markiert wechseln sich Kapitel zur Mathematik (blau), zu Anwendungsgebieten (grün) und zur Fachsprache (rot) ab. Dies ist nicht nur übersichtlich, sondern auch ansprechend gestaltet.
Ebenfalls sehr lobenswert ist die schon von Band 1 bekannte Aufteilung: auf der linken Seite wird jeweils ein Thema eingeführt, auf der rechten Seite gibt es dazu passende Übungen. Und im Anhang findet man auch die entsprechenden ausführlichen Lösungen.
Der mathematische Teil
Funktionen sind das zentrale mathematische Thema. Dies beginnt mit dem Praxisbeispiel der Portofunktion als abschnittsweise definierte Funktion und führt dann allgemein zu reellen Funktionen. Dies ist auch so ziemlich die einzige Stelle im Buch, wo eine exakte Definition gegeben wird. Ansonsten steht deutlich die Anschaulichkeit im Vordergrund, was nicht nur ich ausgesprochen sympathisch finde, sondern nach meiner Erfahrung auch die Studierenden.
Über Koordinatensysteme und Graphen geht es dann weiter zu linearen und quadratischen Funktionen. Ob man bei dem begrenzten Umfang des Büchleins nochmal explizit die abschnittsweise definierten Funktionen und die schon etwas exotische Signum-Funktion behandeln muss, darüber lässt sich vielleicht streiten. Ansonsten wird das klassisch fortgesetzt mit ganzrationalen Funktionen, Nullstellen und Symmetrie (persönlich hätte ich hier auf Polstellen bei gebrochen-rationalen Funktionen verzichtet) und mündet schließlich in die Themen der Funktionsuntersuchung („Kurvendiskussion“).
Da es sich hier nicht um ein Mathematikbuch im üblichen Sinne handelt, sondern um ein die Fachsprache vermittelndes Buch, werden auch bei den Übungen nur selten Rechnungen verlangt. Da keine Ableitungen eingeführt werden, wäre dies bei der Funktionsuntersuchung ohnehin nicht möglich. Stattdessen geht es bei den Übungen im mathematischen Teil um Textzuordnungen, Lückentexte und insbesondere das Interpretieren von Funktionsgraphen. Dies entspricht durchaus einem Teil des heutigen Mathematikunterrichts, der dann im Laufe der gymnasialen Oberstufe aber doch darüber hinausgeht.
Anwendungen
Neben dem bereits erwähnten Beispiel der Portokosten als abschnittsweise definierte Funktion behandeln die Anwendungsaufgaben Steigungen, verschiedene Themen der klassischen Mechanik und – was ich originell finde – eine lineare Kostenfunktion.
Auch die Anwendungsaufgaben, die sowohl den mathematischen wie auch den fachsprachlichen Teil festigen und vertiefen, sind übersichtlich und ansprechend dargestellt.
Der fachsprachliche Teil
Während es in Band noch darum ging, einzelne Fachbegriffe einzuführen und zu erläutern, geht es hier mehr um den Satzbau und damit deutlich darüber hinaus. Was man sich als deutscher Muttersprachler und Mathematiklehrer oft nicht klarmacht: die Fachtexte enthalten eine Art von Formulierungen, die ausländische Studierende vor erhebliche Probleme stellen können. Es geht ja nicht nur um die unpersönliche Ausdrucksweise: „Man nennt eine solche Zuordnung in der Mathematik Funktion.“ Auch darüber hinaus werden Sprachformen verwendet, die teilweise erst in B2- oder C1-Sprachkursen thematisiert werden. Es ist das große Verdienst des Autors, auf diese Problemstellungen aufmerksam zu machen und den Zusammenhang verschiedener Formulierungen anschaulich aufzuzeigen.
Im Vorwort wird darauf hingewiesen, welche Grammatikthemen hier im fachsprachlichen Zusammenhang eingeführt werden:
- Vorgangspassiv mit Modalverben, subjektloses Passiv
- Zustandspassiv im Präsens
- Präpositional-, Adverbial- und Partizipialattribute
- Konditional-, Kausal-, Final-, Konsekutiv- und Modalangaben
- Grundlagen der Komposition
- Konjunktiv zur Nennung einer Annahme (thetischer Konjunktiv)
Ein weiteres Thema ist die „Aufgabensprache“: was muss ich bei bestimmten Formulierungen in der Aufgabenstellung tun? Seit Einführung der „Operatoren“ in den Kernlehrplänen ist dies schließlich auch für deutsche Studierende gewöhnungsbedürftig.
Auch wenn jedes der oben genannten Themen durch Beispielformulierungen erläutert wird, sehe ich hier doch die Gefahr, dass Studierenden, die sich dies im Selbststudium aneignen möchten, von Begriffen wie „Präpositionalattribute“ oder „thetischer Konjunktiv“ abgeschreckt werden könnten. Liegt es daran, dass ich selbst kein ausgesprochener Freund von Grammatik bin? Jedenfalls muss man zu der Erkenntnis kommen, dass es ausreicht, die Beispiele zu verstehen und anwenden zu können. Welchen Namen das Konstrukt hat muss man doch nicht wirklich wissen.
Fazit
Es ist nicht der Anspruch dieses Buches, den kompletten Stoff der Oberstufenmathematik zu vermitteln – dazu würden auch die Bereiche Stochastik oder Analytische Geometrie fehlen. Wenn man diese Erwartung aber nicht hat, kann ich das Buch für den Einsatz im Unterricht uneingeschränkt empfehlen. Die große Übersichtlichkeit, die nette Gestaltung, die fachliche Kompetenz und Präzision (sowohl im mathematischen als auch im sprachlichen Bereich) sowie der faire Preis sprechen für sich. Die Frage ist allerdings: in welchem Unterricht? Unterrichtende im DaF/DaZ-Bereich werden wohl von der enthaltenen Mathematik abgeschreckt. Im Mathematikunterricht mit Migranten/innen kann ich es mir dagegen sehr gut vorstellen – vorausgesetzt der/die Unterrichtende ist ein wenig sensibilisiert für die DaF/DaZ-Thematik.
Hajo Becker
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