Frage:
Hallo, ich bin seit kurzem ehrenamtlich in einer Flüchtlingserstunterkunft tätig. Man hat mich gebeten, einen Deutschkurs für Frauen zu machen. Ich bin keine Lehrerin und es läuft sehr unstrukturiert. Ich habe allerdings auch erst zwei Unterrichtsabende hinter mir. Es waren ungefähr 25-30 Frauen da und ich war völlig überfordert. Gibt es vielleicht Hilfsmittel oder werden evtl. sogar Kurse angeboten, wie man so etwas sinnvoll, so, dass es den Menschen auch etwas bringt, angeht? Viele wollen unbedingt das Alphabet lernen. Ich halte das nicht für sinnvoll, wenn man kein einziges Wort deutsch spricht, bin mir aber natürlich nicht sicher. Ich wollte mit einfachen Dingen, vielleicht Bilder mit den dazugehören Worten aus dem Alltag beginnen und mit kleinen einfachen Sätzen. Gibt es Möglichkeiten, wo und wie man sich besser informieren bzw. vorbereiten kann? Viele Grüße J.
Antwort:
Liebe J.,
vielen Dank für deine Nachricht und dein Engagement!
Dass du als Anfängerin mit so einer großen Gruppe und ohne Vorbereitung überfordert bist, ist total verständlich!
Als ersten Schritt halte ich es für sinnvoll, die Gruppe aufzuteilen in zwei (oder idealerweise drei) kleinere Gruppen. Vielleicht kannst du noch eine andere Ehrenamtliche mit ins Boot holen für diese Aufgabe? Ansonsten reduzier deine Unterrichtszeit: Lieber zwei Mal 60 Minuten konzentrierter Unterricht in der Kleingruppe als 120 Minuten mit 30 Leuten, wo du eh nicht jeder Teilnehmerin gerecht werden kannst.
Beim Aufteilen kannst du idealerweise schon nach Vorkenntnissen sortieren, damit die Gruppen homogener werden:
- Was ist die Muttersprache? Wurde in der Muttersprache schreiben gelernt? Benutzt die Muttersprache unser Alphabet (z.B. Französisch) oder ein anderes Schriftsystem (z.B. Arabisch, Tigrinya)? -> diejenigen, die noch nicht flüssig mit lateinischen Buchstaben schreiben können, müssen das erstmal sorgfältig üben!
- Wer kann schon ein bisschen Englisch oder Deutsch? -> Erfahrungen beim Sprachenlernen helfen einer neuen Sprache
- Was ist der Bildungshintergrund? Ist die Frau in ihrer Heimat nur ein paar Jahre in die Schule gegangen, oder hat sie vielleicht sogar studiert? -> wer studiert hat, wird sich beim Lernen weniger schwer tun.
Mehr Hinweise dazu findest du hier: Lernungewohnte Flüchtlinge im Deutschkurs
Dann zum Thema, wie du deinen Unterricht planen kannst:
- Es gibt eine schöne, kostenlose Broschüre aus dem Sprachanker-Qualifizierungsprogramm mit guten Tipps für Ehrenamtliche. Du kannst dir die Broschüre einfach herunterladen. [Rezension]
- Der Softwarehersteller SAP bietet einen kostenlosen Online-Kurs für Ehrenamtliche, der am 1. Februar startet: „Auch du kannst das. Deutsch für Asylbewerber. Ehrenamtlich.“
- Für EinsteigerInnen kann ich außerdem dieses Buch hier empfehlen: DaF unterrichten –
Basiswissen Didaktik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache.
Zum Thema Alphabet:
Wie gesagt, es kann ein guter Einstieg sein, erstmal nur die Buchstaben zu schreiben (viele Wiederholungen) und einfache Wörter mit den Buchstaben zu lernen.
Ein richtiger Alphabetisierungskurs ist z.B. „Schritte plus Alpha 1-3“ (Hueber Verlag, 10€ pro Buch). Kostenlose Übungen zum Alphabet gibt es beim Deutschkurs Klosterneuburg (Kursbuch + Übungsheft).
Kursinhalte und -struktur:
Du schreibst:
Ich wollte mit einfachen Dingen, vielleicht Bilder mit den dazugehören Worten aus dem Alltag beginnen und mit kleinen einfachen Sätzen. Gibt es Möglichkeiten, wo und wie man sich besser informieren bzw. vorbereiten kann?
Das kannst du so machen, ja, aber damit kostet es natürlich viel Vorbereitungszeit.
Ich würde dir empfehlen, dich an einem Lehrwerk entlangzuhangeln.
Ich mag die „Schritte plus“ Reihe vom Hueber Verlag sehr gern. Schritte plus Alpha ist der Alphabetisierungskurs. Wenn die TeilnehmerInnen dann schreiben können, kann man entweder mit Erste Schritte plus weitermachen (Einstiegskurs, „einfacher“, für Lernungewohnte) oder direkt mit Schritte Plus A1. Letzteres ist dann „schwieriger“ und eher für Menschen, die schon andere Sprachen gelernt haben. Kommt eben auf den Hintergrund deiner Teilnehmerinnen an.
- Alternativ finde ich das Deutschheft der Flüchtlingshilfe München total super. [Download / Rezension]
- Mit dem Deutschkurs Klosterneuburg habe ich noch nicht gearbeitet, kannst du dir aber mal angucken – auch kostenlos. [Download]
- Neu erschienen ist „Erste Hilfe Deutsch“, ein Kursbuch speziell für Kurse mit hoher Fluktuation. Das kostet 6€, allerdings sind die kostenlosen Kurse ja auch nie richtig kostenlos, man muss sie ja schließlich ausdrucken und heften. [Hueber Webseite / Rezension]
Wenn dein Kurs sich die nächsten Tage/Wochen stabilisiert, würde ich mit einem Vorkurslehrwerk beginnen. Falls jedoch die Fluktuation sehr hoch ist/bleibt, bietet es sich an, die Stunden nur lose zusammenhängend zu gestalten, zum Beispiel Erste Hilfe Deutsch.
Ich hoffe, ich konnte dir mit dieser Antwort helfen.
Viele Grüße und ganz viel Erfolg mit deinem Kurs,
Kato