Schlagwort: Lernen lernen

Warum ich ungern Webseiten oder Apps zum Selbstlernen empfehle

„Mein Schüler A. ist sehr fleißig und würde gern außerhalb unseres Unterrichts selbstständig weiterlernen – kannst du eine Webseite oder App dafür empfehlen?“

Solche oder ähnliche Fragen habe ich schon zuhauf bekommen, und ich sehe sie auch oft, wenn ich in Facebook-Gruppen wie „Materialsammlung DaF/DaZ: Flüchtlingshilfe konkret!“ unterwegs bin.

Selbstverständlich gibt es im Netz ein großes Angebot an kostenlosen Apps und Webseiten mit Arbeitsblättern oder Online-Übungen. Also ist es doch eine gute Idee, fleißigen Lernerinnen und Lernern ein paar Tipps zum eigenständigen Lernen zu geben?

In der Theorie eine gute Idee. Allerdings fällt es mir schwer, Empfehlungen zu geben – aus diesen Gründen: Weiterlesen

Frage & Antwort, Teil 6: Motivation erkennen und fördern

 

Hallo Kato,

[…] dem Ratgeber für ehrenamtliche Helfer von Frau Lourdes Ros konnte ich fast Nichts für meine praktische Situationen entnehmen. Ich muss immer wieder völlig von vorne beginnen. Mal kommen 12, dann wieder nur einer. Dann mal drei. […]

Wie startet man quasi ohne jede Kommunikation, wenn zudem keine Motivation erkennbar ist, die deutsche Sprache zu erlernen? Das Lernen zu lehren fällt mir sehr schwer. […]

Beste Grüße und vielen Dank für Ihre Seite,

Jürgen B.

 

Lieber Herr B.,

Sie sprechen ein sehr interessantes und sehr wichtiges Thema an. Motivation ist für den Lernprozess sehr wichtig; und gleichzeitig ist es für Ehrenamtliche sehr frustrierend, sich zu fragen „warum nehmen sie unsere Angebote nicht an? Warum sind sie so demotiviert?“.

Ich möchte Ihnen im Folgenden ein paar Gedankenanstöße aus meiner Erfahrung mitgeben, auch wenn es für Ihre Situation wohl keine einfache „Lösung“ gibt. Weiterlesen

Rezension: Herzlich willkommen! Einstiegskurs Deutsch (Cornelsen)

  • Herzlich willkommen! Einstiegskurs Deutsch (Cornelsen)
    Autoren: Hermann Funk und Christina Kuhn
  • ISBN 978-3-06-121778-5
  • 80 Seiten
  • für 5,99€ erhältlich bei Cornelsen direkt, im Buchhandel oder über Amazon.

Zielgruppe

herzlichwillkommen_cornelsen

Dieses neu erschienene Lehrwerk Herzlich willkommen! Einstiegskurs Deutsch richtet sich an Geflüchtete, die bereits alphabetisiert sind. Auf A1.1-Niveau werden Alltagsthemen behandelt. Als Einstiegskurs soll dieses Buch eine Vorbereitung auf die herkömmlichen A1-Lehrwerke darstellen. Nach eigenen Angaben reicht das Material für ca. 60 Unterrichtsstunden. Meiner Meinung nach eignet sich das Buch eher für stabile Kurse mit wenig Fluktuation.

Aufbau

Herzlich willkommen! besteht aus 80 Seiten, verteilt auf „nur“ sieben Lektionen. Eine Lektion deckt dafür immer mehrere Themenbereiche ab. Eine Lektion besteht aus 4-5 Doppelseiten mit Material und Übungen. Die letzte Doppelseite enthält jeweils eine Übersicht über die wichtigsten Wörter und Sätzen sowie Schreibübungen.

herzlichwillkommen_1

Inhalt/Themen

  • Begrüßung und Vorstellung
  • Herkunft
  • Monate, Tage, Uhrzeit, Zahlen
  • Formulare und Gespräche beim Amt (wird mehrmals aufgegriffen)
  • Räume, Möbel, Wohnen
  • Wetter und Jahreszeiten
  • Familie
  • Berufe
  • Lebensmittel und Einkauf
  • Farben und Kleidung
  • Stadt, Wege
  • Alltag und Freizeit
  • Verkehrsmittel
  • Körper und Arztbesuch

Weiterlesen

Lernungewohnte Flüchtlinge im Deutschkurs

Dass die AsylbewerberInnen alles andere als eine homogene Gruppe sind, ist kein Geheimnis. Unter den Geflüchteten befinden sich nicht nur die vielzitierten Ärzte, Ingenieure und weitere Fachkräfte, sondern auch Menschen, die in ihrem Heimatland nur wenige Jahre oder gar nicht zur Schule gegangen sind und über wenig (institutionelle bzw. formale) Bildung verfügen.

Diese Voraussetzungen haben natürlich einen Einfluss auf den Lernprozess im Deutschkurs. Ich möchte an dieser Stelle das Begriffspaar „lerngewohnt“ und „lernungewohnt“ einführen. Beachtet bitte, dass dies nichts mit der Intelligenz, (Sprach-)Begabung oder Motivation zu tun hat. Nur weil jemand lernungewohnt ist, heißt dies nicht automatisch, dass er oder sie „dumm“ ist oder nicht Deutsch lernen kann! Die Lehrkraft steht jedoch vor der Aufgabe, den Unterricht gemäß den Bedürfnissen der lernungewohnten TeilnehmerInnen zu gestalten.

Ein Überblick über die Unterschiede zwischen lerngewohnten und lernungewohnten LernerInnen:
Lerngewohnte TeilnehmerInnen Lernungewohnte TeilnehmerInnen
Haben in ihrer Heimat für mehrere Jahre die Schule und ggf. eine Hochschule besucht Haben nicht oder nur unregelmäßig die Schule besucht
haben keine Probleme, in ihrer Muttersprache zu lesen und zu schreiben sind in ihrer Muttersprache nicht oder nicht vollständig alphabetisiert
haben eine Fremdsprache (idealerweise mit dem lateinischen Alphabet, z.B. Englisch oder Französisch) gelernt Haben noch keine Fremdsprache gelernt
verfügen über grammatisches und metasprachliches Wissen (z.B. was ein Verb ist) Verfügen nicht über metasprachliches Wissen
Kennen Lerntechniken und wissen, was für ein Lerntyp sie sind Kennen keine Lerntechniken
sind Unterrichtssituationen und können über mehrere Stunden hinweg zuhören und sich konzentrieren Haben evtl. Probleme damit, sich über einen längeren Zeitraum hinweg zu konzentrieren und zuzuhören
kennen verschiedene Aufgabenarten und Bearbeitungsmodi Haben Probleme, Aufgabenstellungen und Übungsformen zu verstehen; haben Probleme, zwischen Einzel-, Partner- und Gruppenarbeit zu unterscheiden
Können sicher mit Hilfsmitteln (z.B. versch. Stifte; Wörterbuch) umgehen Haben evtl. Probleme, über einen längeren Zeitraum mit der Hand zu schreiben; unsicher im Umgang mit Hilfsmitteln

Aus diesen Unterschieden ergeben sich einige Punkte, die im Unterricht beachtet werden sollten:

Zunächst einmal ist es sinnvoll, lerngewohnte und lernungewohnte TeilnehmerInnen in eigene Gruppen einzuteilen. Der Grund hierfür ist, dass es sehr schwierig ist, allen TeilnehmerInnen gerecht zu werden, wenn sie unterschiedlich schnell Fortschritte machen. Die einen langweilen sich, wenn etwas immer wieder wiederholt wird; die anderen sind überfordert, wenn die nächste Lektion begonnen wird. [Wer noch nicht alphabetisiert ist, braucht natürlich einen Alphabetisierungskurs!]

Ich gehe also jetzt davon aus, dass die Lernwilligen in unterschiedliche Gruppen eingeteilt wurden.  Die folgenden Tipps beziehen sich auf den Unterricht in einer Gruppe mit Lernungewohnten: Weiterlesen

Warum DeutschlehrerInnen andere Sprachen lernen sollten

„Andere Sprachen? Jetzt doch? In dem anderen Beitrag hieß es doch, dass man als DaF-LehrerIn nicht zwangsläufig andere Fremdsprachen sprechen muss?!“

Das stimmt. Es ist für den Deutschunterricht an sich nicht notwendig, eine andere Sprache sprechen zu können. Mehrsprachigkeit kann uns dennoch auf verschiedenen Ebenen helfen, guten Unterricht zu machen:

1. Unterschiedliche Sprachstrukturen entdecken

In der Schule lernen wir ja in der Regel Englisch und zusätzlich eine romanische Sprache wie Französisch, Spanisch oder auch Latein. Wer nicht ganz auf den Kopf gefallen ist, wird gemerkt haben, dass diese Sprachen viele Parallelen aufweisen; sowohl in der Grammatik als auch im Vokabular.

Spannend wird es, wenn man eine Sprache lernt, die sich deutlicher unterscheidet: etwa durch ein anderes Alphabet (z.B. Russisch (Kyrillisches Alphabet) oder Hindi (Devanagari)), oder ein komplett anders aufgebautes Schriftsystem, das eine logographische anstelle einer alphabetischen Schrift benutzt (Chinesisch, zum Teil Japanisch).

Eine ungewohnte Schrift, ganz anders strukturierte Grammatik und Phänomene, die man aus der eigenen Sprache gar nicht kennt, machen einem das Lernen zunächst einmal schwer. Man wird immer wieder dazu gezwungen, die Ausdrucksweise mit der eigenen Muttersprache zu vergleichen und setzt sich automatisch mehr damit auseinander. Weiterlesen