Blended Learning mit Tumblr und Google Forms

Im folgenden Artikel beschreibe ich das Blended Learning-Konzept, das ich in meinem Grammatikkurs mit Studierenden (Niveau B1/B2) einsetze. Es handelt sich hier also nicht um ein DaF-Thema speziell für Flüchtlinge. Vielmehr ist Blended Learning mit der hier beschriebenen oder anderen Methoden für verschiedene Kursarten und Zielgruppen adaptierbar.

Voraussetzungen: die Lernenden müssen über die Infrastruktur (PC/Smartphone + Internetzugang) sowie genug Medienkompetenz verfügen, um die Tools bedienen zu können. Da das Konzept auch Selbstkontrolle umfasst, müssen die Lernenden dies anwenden können und wollen.


Die Ausgangslage

Im Sommersemester 2016 habe ich an meiner Universität einen Grammatikkurs auf Niveau B1+ übernommen. Es handelt sich um zwei parallele Kurse mit je circa 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmern (TN). Der Kurs richtet sich an Studierende/Promovierende aller Fachrichtungen, die ihre Grammatikkenntnisse verbessern möchten. Die TN haben sehr unterschiedliche Vorkenntnisse und Beweggründe, diesen Kurs zu besuchen.

Die Einstufung und Anmeldung wird durch die Deutschabteilung vorgenommen. Die übrige Administration (Anwesenheitslisten, Nachzügler usw.) muss ich neben dem eigentlichen Unterricht und der Vor -und Nachbereitung erledigen. Während des vergangenen Semesters habe ich zwei Probleme identifiziert, die ich im aktuellen Semester anders angehen wollte:

Problem 1: Information bei Abwesenheit

Meine Studentinnen und Studenten haben sehr unterschiedliche Hintergründe. Manche sind Erasmus-StudentInnen, einige arbeiten gerade parallel an ihren Bachelor- oder Masterarbeiten und wieder andere promovieren und stehen täglich im Labor. Manche brauchen den Schein dringend; andere sind freiwillig da. Mein Grammatikkurs hat also für die Studierenden einen unterschiedlich hohen Stellenwert und ich kann nicht mit einer 100%igen Anwesenheit des Kurses rechnen. Da ich jede Woche ein neues Grammatikthema behandle, bedeutet eine Fehlstunde eine große Lücke im Kursstoff. Während in der Schule noch die Regel „Informiere dich bei deinem Banknachbarn, wenn du krank bist“ galt, kennen sich meine TN untereinander meistens gar nicht. Es bleibt also an mir, die Studierenden über den verpassten Stoff zu informieren.

Problem 2: Hausaufgaben

Mein Kurs umfasst nur 90 Minuten pro Woche. Ich möchte keine dieser wertvollen Minuten für Hausaufgaben verschwenden. Prinzipiell halte ich Hausaufgaben für sehr sinnvoll, bei dieser Kursform sind sie allerdings problematisch. Wenn man nur kurz die richtigen Lösungen runterrattert, kommen die, die es nicht oder falsch gemacht haben, nicht hinterher. Wenn man sie ausführlich bespricht, langweilt/unterfordert man die „Guten“. (In umfangreicheren Kursen, z.B. Schule/ Integrationskurs/Intensivkurs finde ich eine ausführlichere Besprechung der Hausaufgaben sinnvoll, wenn auch kreativeres Arbeiten möglich ist.) Darüber hinaus handelt es sich bei den TeilnehmerInnen um Studierende – ich appelliere also an die Eigenverantwortlichkeit. Ob sie ihre Motivation aus intrinsischen (Deutsch macht mir Spaß) oder extrinsischen (Meine Heimatuni will, dass ich diesen Kurs belege; Ich will einen Job in Deutschland finden) Gründen beziehen, ist mir egal. Ob sie die Hausaufgaben machen, ist mir im Endeffekt auch egal. Für diejenigen Studierenden, die sich eine Vertiefung des aktuellen Themas in Form von Hausaufgaben wünschen, möchte ich jedoch ein unkompliziertes Angebot schaffen.

Fazit: Ich habe mir eine Möglichkeit gewünscht, von der E-Mail-Flut wegzukommen und Informationen unkompliziert an alle TN rauszugeben. Außerdem wollte ich eine neue Lösung für Hausaufgaben. Eine internetbasierte Info- und Hausaufgaben-Plattform als Blended Learning-Ergänzung zu meinem wöchentlichen Präsenzkurs erschien mir als praktische Lösung für das aktuelle Semester.

Blended Learning

Blended Learning/ Integriertes Lernen ist:

ein Lehr-/Lernkonzept, das eine didaktisch sinnvolle Verknüpfung von Präsenzveranstaltungen und virtuellem Lernen auf der Basis neuer Informations- und Kommunikationsmedien vorsieht.

(Definition aus dem e-teaching.org-Glossar, siehe auch Vertiefung Blended Learning)

In meinem Fall brauchte ich also Online-Tools für die Bereitstellung von Informationen und Hausaufgaben.

Mögliche Tools für Blended Learning:

Da ich oft mit dem Content Management System WordPress arbeite, war mein erster Gedanke, einen WordPress-basierten Blog mit wöchentlichen Infos und Aufgaben zu erstellen.
Mir war dabei sehr wichtig, dass dieser nicht öffentlich einsehbar ist, die Studierenden aber dennoch einfach Zugriff darauf erhalten können. (Keine Registrierung unter Angabe persönlicher Daten, kein Account mit Passwort usw.) Am liebsten wollte ich einfach ein Passwort festlegen, das die Studierenden dann auf der Internetseite eingeben.

Für diesen Einsatzzweck wäre WordPress jedoch eine sprichwörtliche Kanone, die auf Spatzen schießt. Mit dem kostenfreien Microblogging-System Tumblr lässt sich diese Aufgabe nämlich hervorragend lösen.

Tumblr kenne ich schon seit einigen Jahren. Die Plattform wurde im Jahr 2013 durch den Konzern Yahoo! übernommen und weiterentwickelt. So wurden zum Beispiel die Formatierungmöglichkeiten für Texte erweitert. Das Grundprinzip von Tumblr ist, dass man seinen Tumblr-Blog nicht ausschließlich mit eigenen Inhalten füllt, sondern Dinge, die einem gefallen, „rebloggt“. Sie erscheinen dann mit Angabe des Urhebers/Uploaders im eigenen Blog. User können sich untereinander folgen oder für sie interessante Themen durch Hashtags entdecken.

Einen öffentlichen Blog, Folgefunktionen und Reblogs brauchte ich für mein Vorhaben ja nicht. Daher richtete ich einen Passwortschutz für „meinen“ Blog. So ist er nur mit Passwort zugänglich und die dort geposteten Inhalte können nicht geteilt werden.

So richtet man Tumblr ein:
  1. Registrieren (Account anlegen)
  2. Blog anlegen (Achtung: Wenn man sich einen Tumblr-Account anlegt, ist der erste Blog automatisch der öffentliche Hauptblog. Für diesen gibt es die Passwort-Funktion nicht. Den ersten Blog legt man an und kann ihn dann ignorieren. Legt man im selben Account einen zweiten Blog ein, ist dieser ist dann ein Nebenblog und kann mit einem Passwort geschützt werden. Mehr Info dazu.)
  3. Passwort setzen
  4. Einstellungen anpassen: Sprache etc
  5. Erscheinungsbild anpassen: Theme aussuchen und anpassen. (Themes definieren das Erscheinungsbild des Tumblr-Blogs, z.B. die Position des Menüs und die Anzahl der Spalten)
  6. wenn gewünscht, kann eine eigene Domain auf den Blog aufgeschaltet werden. (Standardmäßig lautet die Domain deinblogname.tumblr.com; diese Seite erklärt die Umstellung)
So kann man tumblr nutzen:
  • Posts direkt veröffentlichen, in die Warteschleife stellen oder für einen bestimmten Zeitpunkt planen
  • Tags zur Sortierung verwenden (mit einem passenden Theme)
  • Beitragsarten: Text, Links, Zitat, Bild (auch .gif), Audio, Video, Dialog
  • Weiterlesen-Funktion: Beiträge auf der Übersichtsseite kurz halten

tumblr_beitragsarten


Exkurs: Vor- und Nachteile von tumblr
Pro:
  • unkomplizierter Zugang für die KursteilnehmerInnen: sie geben die URL am Handy oder PC ein, geben das Passwort ein und haben Zugang
  • Einfach zu bedienen per Laptop oder App
  • Kostenlos und werbefrei
Contra:
  • Bei Tumblr gibt es leider kein Dateihosting. Bilder können direkt hochgeladen werden, Docs oder PDFs müssen über einen Umweg freigegeben werden, z.B. via Google Drive oder Dropbox. Der jeweilige Link kann dann auf dem Tumblr-Blog gepostet werden.
  • US-Unternehmen -> die üblichen Datenschutzbedenken

tumblr_dashboard_beispiel

Ich nutze den Tumblr-Blog nun als Info-Sammelstelle für meine TN: Ich veröffentliche allgemeine Informationen zum Kurs; fasse die Grammatikthemen der jeweiligen Stunde kurz zusammen (Tafelbild); verlinke die Online-Hausaufgaben (siehe unten) und poste Lösungen zu den Online-Hausaufgaben und Aufgaben aus der Stunde. Aus urheberrechtlichen Gründen lade ich dort natürlich keine Kopien aus Büchern hoch, sondern nur selbst geschriebene Texte/Arbeitsblätter sowie Links.

Am Anfang habe ich eine weitere Nutzungsmöglichkeit gar nicht bedacht, aber dann spontan ausprobiert: in der Stunde von den TN erarbeitete Materialien (z.B. Beispielsätze) werden ebenfalls auf dem Blog gepostet. (Variante 1: die TN sollen es abtippen und mir per E-Mail senden -> nicht so zuverlässig, kommt spät oder unvollständig. Variante 2: ich fotografiere die Sätze selber ab und stelle die Fotos online oder tippe sie ab.)

Problem 2: Hausaufgaben

Häufig gibt man als Hausaufgabe Übungen aus der aktuellen Buchlektion auf, die man noch nicht behandelt hat. Alternativ gibt es auch Bücher oder Webseiten mit Übungsaufgaben.  Hier habe ich wieder das Problem: wenn eine/r fehlt, hat er/sie die Hausaufgabe nicht.

Daher habe ich zu jeder Unterrichtseinheit eine passende Online-Hausaufgabe entwickelt. (Zugegeben: Das ist natürlich ein Mehraufwand als bloß fertige Übungen auszuwählen; allerdings kann ich so sichergehen, dass die Übungen genau zu den Themen passen, die wir in der Stunde gelernt und geübt haben.)

Die Online-Hausaufgabe wird als Fragebogen in Google Forms erstellt. Die Eingaben der TN werden dann automatisch in Google Sheets (Google-Version von Excel) gespeichert.

online-ha-googleform online-ha-googlesheets

Eigenschaften von Google Forms:
  • verschiedene Fragetypen (Kurz- und Langantwort für freie Eingaben; Multiple Choice; Skalen; usw.)
  • es besteht die Möglichkeit, die Fragen über mehrere Seiten („Abschnitte“) zu verteilen
  • Zwischenüberschriften, Bilder und Videos möglich
  • diverse andere Einstellungsmöglichkeiten (z.B. ob man seine Eingaben nach dem Abschicken noch einmal bearbeiten darf oder nicht -> Formulare für verschiedene Zwecke denkbar)

Exkurs: Vor- und Nachteile von Google Forms
Pro:
  • Das Erstellen ist intuitiv und geht leicht von der Hand
  • Alles wird automatisch gespeichert und via Cloud synchronisiert
  • Die Fragebögen sind responsiv und lassen sich sowohl per Link verschicken als auch in bestehende Seiten einbetten
  • Man kann sogar Quizze mit Antwortbögen und automatischer Auswertung erstellen (Dies habe ich jedoch nicht gemacht, da ich mehr freie Eingaben als Multiple Choice Kästen hatte)
Contra:
  • Leider bietet Google Forms wenig Gestaltungs- und Personalisierungsspielraum. Der Grundaufbau, die Schriftarten und -größen sind festgelegt. Lediglich das Farbschema lässt sich bestimmen: Entweder man wählt eine der angebotenen Farben; oder man wählt eines Bilder aus der Galerie; oder man lädt ein eigenes Hoch. Das Bild wird oben als „Header“ angezeigt und aus dem Bild heraus wird automatisch eine passende Akzentfarbe generiert. Wenn man unbedingt einen fortlaufenden „Look“ erzielen möchte, wird man mit Google Forms vermutlich nicht so ganz glücklich.
  • keine Lückenaufgaben möglich
  • US-Unternehmen -> die üblichen Datenschutzbedenken

Wenn eine Online-Hausaufgabe fertig ist, generiere ich den Link und veröffentliche ihn auf dem Tumblr-Blog. Die Umfrage ist nur mit dem Link abrufbar.

Der Reiter Antworten zeigt die gesammelten Antworten oder Einzelantworten. Wenn man die Verknüpfung mit Google Sheets aktiviert,  wird automatisch eine neue Tabelle generiert. Google Forms, Docs, Sheets usw. liegen alle in der Cloud. Das bedeutet, dass man von überall darauf zugreifen kann und sie auch anderen Leuten freigeben kann (z.B. wenn man einen Kurs gemeinsam mit Kollegen leitet).

Nach einer Woche deaktiviere ich die jeweilige Online-Hausaufgabe und poste die Lösung auf dem Tumblr-Blog. Ich korrigiere und benote die einzelnen Online-Hausaufgaben nicht, sondern gebe die Möglichkeit zur Selbstkontrolle.

Wie gesagt verfügen meine TN über unterschiedliche Vorkenntnisse und empfinden daher manche Themen schwieriger als andere. Aus diesem Grund ist es ihnen überlassen, ob sie die Online-HA machen oder nicht. Ich erwarte ihre Teilnahme nur mindestens drei Mal. (Die Erfahrung nach ungefähr der Hälfte des Kurses zeigt, dass viele TN diese Möglichkeit gern nutzen und auch über die drei verpflichtenden Male hinaus die HA erledigen.)

Die Lösungen können dann zum Lernen für die Prüfungen verwendet werden. So kann ich mir auch sicher sein, dass sie richtige Beispielsätze im Heft stehen haben, während das bei Plenums-Kontrollrunden ja alles andere als selbstverständlich ist.

Was sagen die Studierenden dazu?

Ich persönliche finde die Kombination aus Tumblr und Google Forms super. Allerdings interessiert es mich natürlich, wie meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Online-Hausaufgaben empfinden.

Innerhalb von einer Woche haben 13 der insgesamt ca 40 Studierenden meinen Feedback-Fragebogen ausgefüllt. Diesen Feedback-Fragebogen hatte ich ebenfalls mit einem Google Form umgesetzt. Hier sind die Ergebnisse als Screenshot:

online-ha-zeit

online-ha-2 online-ha-3 online-ha-4 online-ha-5(Bitte ignoriert die nicht 100%ig eleganten Übersetzungen ins Englische :))

In einem freien Eingabefeld gaben drei Studierende zusätzliches Feedback und wünschten sich dabei: „Ich glaube auch, dass wir sollen eine Email bekommen mit den Anworten die wir gegeben haben sodass sie mit den Lösungen vergleichen könnten.“ Diesen Vorschlag der Studierenden habe ich für die aktuelle Online-Hausaufgabe direkt umgesetzt: Google Forms hat die Funktion, den TN ihre Eingaben anschließend als E-Mail zuzusenden. Diese hatte ich bisher nicht aktiviert. Es stimmt aber, dass den TN das Lernen sicher leichter fällt, wenn sie ihre eigenen Antworten mit den Musterlösungen vergleichen können.

Am Ende des Semesters werde ich vielleicht eine weitere Feedback-Umfrage zu meinem Blended Learning-Konzept starten. Ich persönlich kann aber jetzt bereits sagen, dass mir die Lösung mit Tumblr für Infos und Google Forms für Hausaufgaben sehr gut gefällt und ich sie auch beim nächsten Grammatikkurs fortführen möchte.