„Ich weiß es nicht“ – Strategien für den Umgang mit Nichtwissen als Lehrkraft

Es ist eine Situation, vor der sich viele Lehrerinnen und Lehrer fürchten: Die Schülerinnen und Schüler haben eine Frage und man kann sie nicht beantworten. Bei Ehrenamtlichen kann diese Angst sogar dazu führen, dass sie gar nicht erst damit anfangen, ehrenamtlich Deutsch zu unterrichten.

In dem Artikel „Keine Angst vor Fehlern“ hatte ich vor einem Jahr bereits über dieses Phänomen geschrieben. Mein zusammenfassender Rat lautete damals:

(…) es ist total normal, nicht alles zu wissen, und es zeigt Stärke, wenn man dazu steht anstatt aus Verlegenheit eine womöglich falsche Antwort zu geben. Also: Habt keine Angst vor Fehlern!

Mit diesem Text möchte ich ein paar konkrete Ideen geben, wie man reagieren kann, wenn man als Lehrkraft eine Frage nicht beantworten kann oder einen Blackout hat.

Strategie 1: Die Frage an die Gruppe weitergeben

Diese Strategie ist quasi die einfachste, da du (a) vielleicht sogar überspielen kannst, dass du die Antwort gar nicht selber kennst und (b) es didaktisch sinnvoll ist, dass die Lernenden auch die Perspektive der Lehrenden einnehmen und Dinge erklären.

Logischerweise kannst du die Frage nur sinnvoll weitergeben, wenn du dir relativ sicher bist, dass jemand aus der Gruppe die Antwort kennt.

Das kann der Fall sein, wenn die Gruppe das Thema in der Vergangenheit bereits behandelt hat – vielleicht bei einer anderen Lehrkraft. Oder einzelne KursteilnehmerInnen bringen durch ihre Bildung, ihre Praxis- und Lebenserfahrung die Antworten auf die Frage mit.

Auf jeden Fall solltest du die Person für jede teils oder vollständig richtige Antwort loben!

 

Strategie 2: Die Frage gemeinsam erarbeiten

Diese Strategie eignet sich, wenn du die Lösung zwar nicht parat hast, aber den Lösungsweg kennst. Fragt zum Beispiel eine Schülerin nach der 3. Person Singular Plusquamperfekt Konjunktiv II von fliegen, dann kommt die richtige Form vermutlich nicht aus der Pistole geschossen. Man kann aber Schritt für Schritt vorgehen: Wie bildet man das Plusquamperfekt? Wie bildet man es im Konjunktiv II? Wie lautet das Partizip von fliegen? Wenn man sich dabei etwas Zeit lässt und die Antworten visualisiert (Tafel/Whiteboard), kommt die Antwort wie ganz von alleine.

Dabei muss natürlich nicht nur die Fragestellerin mitarbeiten, sondern der ganze Kurs kann miteinbezogen werden.

 

Strategie 3: Die Antwort direkt recherchieren

Wenn die Situation es zeitlich zulässt, kannst du die Antwort direkt recherchieren.

Dabei kannst du Ressourcen im Klassenraum (Lehrwerk; Wörterbücher, Lexika oder andere Nachschlagwerke) oder das Internet via Smartphone nutzen. Tipp: speichere dir häufig verwendete Seiten wie duden.de bereits in deine Favoriten, um sie schnell aufrufen zu können.

Die Strategie eignet sich, wenn die Aufmerksamkeit gerade eh nicht auf dir liegt, z.B. wenn die Lernenden gerade in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit beschäftigt sind und deine akute Hilfe nicht benötigt wird.

 

Strategie 4: Die Frage aufschreiben und später beantworten

Wenn es sich um eine komplexere Frage handelt, die weder in kurzer Zeit lös- noch in der Gruppe herleitbar ist, bleibt das Verschieben als Strategie. Mache transparent, dass du dir bei der Antwort gerade nicht sicher bist und du lieber in Ruhe recherchieren möchtest. Du solltest dir die Frage dann aufschreiben, um dein Versprechen einzuhalten. Wenn so etwas häufiger vorkommt, könnte man auch eine „Fragebox“ o.ä. anlegen: ein Marmeladenglas, ein Schuhkarton oder eine andere Schachtel, in die unbeantwortete Fragen (z.T. auch anonym?) eingeworfen werden. Regelmäßig wird die Box geleert und die Fragen geklärt.

 

Bonus-Strategie für Wortschatzfragen

Fehlen dir gerade die Worte, um ein unbekanntes Wort zu erklären? Probiere es nonverbal, zum Beispiel mit Gestik und Mimik. Wenn du ein wenig zeichnen kannst, skizziere das Wort an der Tafel oder am Whiteboard. Vermutlich hast du ein Smartphone mit Internetanschluss dabei – nutze es, um ein Bild des Begriffs zu suchen und zu zeigen. Tipp: Auch abstrakte Worte wie Mut lassen sich mit Bildern erklären – zeige zum Beispiel das Bild eines kleinen Jungen auf dem Drei-Meter-Brett.


Transparent mit Nichtwissen umgehen

Es ist kein Problem und macht dich nicht zu einer schlechten Lehrerin/einem schlechten Lehrer, wenn du mal etwas nicht weißt. Du solltest damit nur transparent umgehen und auf keinen Fall aus Scham auf falschen Informationen beharren.

Keine Erklärung? Auch kein Problem

Du musst nicht jede Frage beantworten! Es gibt immer neugierige Lernende, die Fragen stellen, die sich zu einem späteren Zeitpunkt von alleine beantworten, z.B. Grammatik, die viel zu schwierig ist. Vertröste diese TN oder widme dich ihnen, wenn du gerade Zeit hast (vgl. Strategie 3).

Wenn die Antwort die Mehrheit der Leute nicht interessiert, werden sie gedanklich „abschalten“. Diesen Zustand möchtest du natürlich vermeiden. Überlege also: Ist die Antwort für die Mehrheit hilfreich? Kann ich dies schnell oder humorvoll erklären? Bringe ich die TN damit nicht aus ihrem Lernflow? Dann erkläre es! Ist die Frage zu komplex oder speziell? Verschiebe die Erklärung auf einen späteren Zeitpunkt.

 

Photo by Jan Kahánek on Unsplash