Erfahrungsbericht von Mandy: Ehrenamtlich Deutsch unterrichten

Die 26 Jahre alte Mandy hat in Leipzig Germanistik und Translation studiert. Unmittelbar nach der Abgabe ihrer Masterarbeit begann sie, ehrenamtlich Deutschunterricht für Geflüchtete zu geben. Dies ist ihr Erfahrungsbericht:

Im Sommer zogen die ersten Geflüchteten in die Turnhalle meiner Uni. Während manche sich darüber aufregten, dass schon wieder eine Turnhalle zweckentfremdet wird, wollte ich helfen. Weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass es immer besser ist zu helfen, statt zu meckern.

Anfangs wusste ich nicht, wie diese Hilfe aussehen sollte, außerdem steckte ich in der Endphase meiner Masterarbeit und hatte eigentlich keine Zeit. Am Tag der Abgabe meiner Arbeit, es war der 01.09., besuchte ich die Erstaufnahmeeinrichtung. Andere Ehrenamtliche hatten ein Kinderfest organisiert, ich hatte den ersten Kontakt zu Bewohnen, aber auch zu Helfern. Es war ein positiver Kontakt, der mich in meinem Vorhaben bestärkte.

Ich besann mich auf meine Stärken. Da ich ganz gut mit Sprachen kann, zumindest fiel es mir bisher immer relativ leicht, sie selbst zu lernen, entschied ich mich, Deutschunterricht zu geben. Im Sommersemester hatte ich ein Tutorium an der Uni gegeben, eine kleine erste Erfahrung hatte ich also schon gemacht.

Der Deutschunterricht wurde in Zusammenarbeit unseres StuRas mit einem soziokulturellem Zentrum, Die Villa, organisiert. Die Villa bot einen Workshop an, der StuRa stellte Räumlichkeiten bereit. Trotz meines Tutoriums war ich sehr dankbar für den Workshop. Das Tutorium war zwar eine erste Erfahrung, aber ich habe ansonsten keinerlei pädagogische Ausbildung. Dementsprechend verunsichert war ich. Konnte ich Menschen, mit denen ich mich womöglich nicht mal wirklich verständigen konnte, meine Sprache beibringen? Neben der Vermittlung von Lehr- und Lernmethoden beruhigte mich der Workshop vor allem. Es solle nicht darum gehen, die Menschen professionell auf A2-Niveau zu bringen. Wir sollten ihnen ein Gefühl des Willkommens geben. Ablenkung bieten. Einfach nett sein.

Wir sollten ihnen ein Gefühl des Willkommens geben. Ablenkung bieten. Einfach nett sein.

Wir fertigten Materialien wie Memory-Karten, ABC-Lernkärtchen und Uhren mit beweglichen Zeigern für den kommenden Unterricht selbst an, die Villa stellte die Materialien zur Verfügung. Danach erklärte eine der Veranstalterinnen, selbst Lehrerin einer DaF-Klasse, noch einige Spiele zur Sprachvermittlung.

In einer Vorstellungsrunde am Anfang des Workshops wurden bei einigen Teilnehmern schon gewisse Stärken für individuelle Sprachvermittlung sichtbar. Einige waren Sozialpädagogen, andere studierten Theaterwissenschaften oder waren Musiker, konnten also durch kleine Szenen oder Gesang Sprache vermitteln. Ich machte mir wirklich viele Gedanken, wie ich den Unterricht persönlich gestalten konnte. Da ich im Wintersemester eh Arabisch lernen wollte (woraus zeitlich nichts wurde), plante ich einen Sprachtausch mit meinen zukünftigen „Schülern“ – und das klappte auch ganz gut.

Als der erste Unterrichtstag da war, war ich unfassbar aufgeregt. Gemeinsam mit den anderen Lehrenden, die ich alle schon aus dem Workshop kannte, holten wir diejenigen Leute vor der Halle ab, die teilnehmen wollten, und gingen gemeinsam in die Lehrräume. Ein Mann sprach schon so gut Deutsch, dass er nur unter der Voraussetzung mitkam, dass ihm jemand das Schreiben beibrachte. Diese Rolle fiel mir zu.

Ich brachte ihm die deutschen Buchstaben in Schrift und Aussprache bei, im Gegenzug lehrte er mich erste Ausdrücke auf Arabisch. Guten Tag. Guten Morgen. Guten Abend. Wie geht es dir? Und die Personalpronomen. Mein Plan ging also voll auf! Vor allem die Sache mit den Personalpronomen sollte sich später noch als sehr sinnvoll erweisen.

Nach dieser durchweg positiven ersten Stunde legte sich meine Aufregung schnell und ich freute mich auf die kommenden Unterrichtseinheiten.

Insgesamt findet der Unterricht seit November jeden Tag unter der Woche von 14 bis 16 Uhr statt, montags und freitags gibt es eine zusätzliche Schiene von 19 bis 21 Uhr. Die Villa versorgt uns mit Papier, Stiften, Whiteboards und Lernheften (Tannhauser Modell und Lernhefte der Münchener Flüchtlingshilfe).

SpendenWegen der großen Nachfrage sind Papier und Stifte trotzdem immer knapp. Ich startete einen Aufruf über die sozialen Netzwerke und war überwältigt: Neben Geldspenden für die Villa gingen vor allem viele Sachspenden in Form von Blöcken, Stiften und Kinderbüchern ein. Vielen Dank noch mal dafür!

Da der Unterricht freiwillig ist und an einer Erstaufnahmeeinrichtung mit relativ hoher Fluktuation stattfindet, wodurch die Teilnehmer immer wechseln, kann man nie sagen, wie sich die Gruppe zusammensetzt. Deswegen ist es schwierig, den Unterricht vorzubereiten. Andererseits habe ich dadurch auch nie Zeit in intensive Vorbereitung investieren müssen. Den Unterricht gestalte ich zumeist spontan, abhängig davon, wer teilnimmt und welche Voraussetzungen die Teilnehmer mit bringen. Überrascht hat mich die hohe Bereitwilligkeit , sich wirklich aktiv am Unterricht zu beteiligen. Ich habe dieses Semester selbst 2 Sprachkurse belegt und die Dozenten mussten sich beinahe ein Bein ausreißen, um uns dazu zu bringen, mal einen Satz zu wiederholen. Die Sorge, vor der gesamten Klasse etwas falsch auszusprechen, war viel zu hoch. Dieses Problem hatte ich im Deutschunterricht nicht, im Gegenteil. Viele Teilnehmer wiederholten immer und immer wieder denselben Satz und stellten Fragen. Mit einem Mann saß ich ewig da, weil er solche Probleme mit Ü und Ö hatte. Bis zum Schluss hatte er es nicht ganz raus, aber wir hatten viel Spaß bei seinen Versuchen.

   Unterricht-Wegbeschreibung   Unterricht-Körper

Die Frage, ob ihr geeignet seid, einen solchen Deutschkurs zu geben, ist keine Frage des Könnens. Es ist eine Frage der Menschlichkeit.

Auch meine Kenntnis der arabischen Personalpronomen stellte sich jetzt als hilfreich heraus. Es ist verdammt schwierig, jemandem Deutsch beizubringen, der nur Arabisch, nicht mal ein paar Brocken Englisch versteht. Man hat einfach keinen Ansatzpunkt. Klar konnten wir die Teilnehmer immer wieder
Sätze wie „Ich heiße …“ oder „Wie geht es dir?“ wiederholen lassen, aber welchen Sinn hatte das, wenn sie den Inhalt nicht verstanden. Mithilfe der Personalpronomen konnte ich ihnen zum einen wenigstens eine Vorstellung von Ich und Du und Wir vermitteln, zum anderen freuten sie sich, dass ich auch ihrer Sprache gegenüber offen war. Im Workshop wurde uns schon gesagt, dass der Erwerb einer neuen Sprache mit dem Gefühl des Identitätsverlustes einhergehen könnte, dem konnte ich so wenigstens ein Stück weit entgegenwirken. Mittlerweile bietet die Villa auch einen Arabisch-Kurs für Ehrenamtliche an. Letzten Donnerstag war die erste der vorerst vier Sitzungen und ich konnte schon fast alles. Learning by Doing funktioniert also wirklich.

Wenn man einen solchen nichtprofessionellen Deutschkurs geben will, muss man sich bewusst machen, dass man nicht nur Lehrer ist. Man ist Ansprechpartner. Man ist Freund. Man ist Seelenklempner. Und andersrum sind meine Jungs heute meine Freunde. Ich habe geweint, als sie verlegt wurden. Wir waren zusammen auf Demos gegen Rechts. Wir haben eine Weihnachtsfeier und Geburtstage zusammen gefeiert. Ich habe Freunde dazugewonnen.

Die Frage, ob ihr geeignet seid, einen solchen Deutschkurs zu geben, ist keine Frage des Könnens. Es ist eine Frage der Menschlichkeit. Und wenn ihr solch einen Kurs wirklich geben wollt, dann sagt das schon genug über eure Eignung aus.

 Herzlichen Dank an Mandy für ihren spannenden Erfahrungsbericht und die Fotos. Mandy hat auf ihrem Blog Buchblog um die Ecke bereits über die Spenden und die Verlegungen geschrieben.
Hast du auch Erfahrungen mit ehrenamtlichem Unterricht gesammelt und möchtest sie teilen? Bitte schreib mir!