Frage & Antwort, Teil 4: Erste Hilfe für Ehrenamtliche

Frage:

Ich bin momentan in einer Institution als ehrenamtliche Deutsch-“Lehrerin“ für Flüchtlinge aus verschiedensten Ländern tätig. Lehrerin in Anführungsstrichen, da ich keine Ausbildung in dem Sinne genossen habe sondern nur mit meinem als Muttersprachler gelerntem Deutsch versuche, den menschen dort die deutsche Sprache etwas näher zu bringen… Ich bin außerdem ziemlich auf mich allein gestellt. Es gibt kein Lehrwerk, nur zwei unengagierte Lehrer mit denen die Unterrichtsplanung auch nicht wirklich funktioniert, da diese keine wirkliche Organisation haben was die Planung anbelangt. Materialien werden ebenso wenig zur Verfügung gestellt.. Es ist eine ziemlich miserable Lage. Außer dem Kopieren muss alles selbstständig besorgt werden. Meine Frage wäre, wie ich denn genau Unterricht planen sollte, da wie gesagt ich keine Materialien habe und mir nur das Internet sowie lediglich Bücher aus der Bücherei Hilfe leisten können. Gibt es verlässliche Seiten auf die ich zurückgreifen könnte? Ich bin selbst natürlich auch dabei genaueres zu recherchieren, jedoch bin ich dabei auf Ihre Videos gestoßen und dachte mir, dass ein Austausch unter Lehrenden in diesem Bereich nicht schaden könnte.

Vielleicht sollte ich noch erwähnen, dass ich frisch mein Abitur beendet habe und außer der Erfahrung in der Schule keine weiteren Kenntnisse mitbringe um professionell diese Tätigkeit ausüben zu können.

Vielen Dank im Voraus. LG

 

Antwort:

Liebe anonyme Leserin,

zunächst einmal: vielen Dank für dein ehrenamtliches Engagement! Hut ab!

Nun zu deiner Schilderung: es klingt, als würdest du dich in deinem „Job“ ziemlich alleine gelassen fühlen und bald die Motivation verlieren. Das ist natürlich blöd, denn gerade wenn Arbeit nicht mit Geld entlohnt wird, sollte sie natürlich Spaß machen und kein schlechtes Gefühl verursachen.

Du schreibst von nicht so engagierten KollegInnen, inwiefern kannst du diese reaktivieren? Wer ist eure übergeordnete Ansprechperson? Hast du ihr schon deine Probleme geschildert?

Das Stichwort der Vernetzung hast du schon angesprochen. Das ist auf jeden Fall ein guter Punkt. Setze dich mit anderen Ehrenamtlichen in deiner Stadt oder in der Region in Verbindung. Auch auf Facebook kannst du dich vernetzen, zum Beispiel in der Gruppe „Materialsammlung DaF/DaZ: Flüchtlingshilfe konkret!

Wenn man noch nicht weiß, wie man Unterricht planen kann, ist es am einfachsten, sich an einem Lehrwerk entlangzuhangeln und dessen Struktur zu adaptieren. Je nachdem, an welchen Stellen dann mehr Materialien nötig sind, greift man dann auf andere Lehrwerke oder Internetquellen zurück.

Je nach Kenntnissstand der SchülerInnen (alphabetisiert oder nicht? Lerngewohnt oder nicht? Wie viele Vorkenntnisse? Muttersprache?) kann ich dir verschiedene Bücher empfehlen:

  • Alphabetisierung: z.B. Schritte plus Alpha 1 (Hueber), Alphamar (Langenscheidt)
  • Kurse mit hoher Fluktuation: Erste Hilfe Deutsch (Hueber)
  • Stabile Kurse mit Lernungewohnten: normale Vorkurse, z.B. Erste Schritte Plus (Hueber) oder Der Einstieg (Cornelsen)
  • Akademiker, die schon mehrere Fremdsprachen gelernt haben: Ein normales Lehrwerk mit eher niedriger Progression, z.B. Schritte Plus (Hueber)

Für Menschen wie dich, die noch nicht viel Lehrerfahrung haben und das auch nicht in der Uni vermittelt bekommen haben, ist es sehr schwierig, einen Kurs nur auf Basis von aus dem Internet zusammengesammelten Kopien durchzuführen. Deshalb würde ich an deiner Stelle darauf pochen, dass für dich und deine SchülerInnen Materialien und Bücher angeschafft werden! 

Ich weiß ja nicht, wo genau du unterrichtest und welche Kontakte da bereits bestehe – einen Asylhelferkreis/Asylfreundeskreis/ AK Asyl (oder wie auch immer das bei dir heißt) gibt es wahrscheinlich schon. Für den (wahrscheinlichen) Fall, dass dort das Geld auch nicht so locker sitzt, kann man auch Kooperationen mit Buchhändlern oder Firmen eingehen; sich an die Caritas oder andere Hilfsorganisationen wenden; Lokale Rotary oder Lions Clubs um Spenden bitten.

Das Sammeln von Spenden sollte natürlich nicht auch noch deine Aufgabe sein, deine Aufgabe ist das Unterrichten! Du kannst diese Anlaufstellen aber im Hinterkopf behalten.

Nun zur Unterrichtsgestaltung: Das Thema lässt sich leider nicht in zwei Absätzen erklären.

Ich weiß nicht, wie viel Geld du persönlich zu investieren bereit bist, aber für knapp weniger als 20€ kannst du dir dieses Einstiegsbuch für DaF-/DaZ-Lehrerinnen kaufen: „DaF unterrichten: Basiswissen Didaktik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ (2013, Klett)
Ich halte es für einen guten Einstieg ins Thema.

Zu manchen Lehrwerken gibt es sogar ein sogenanntes Lehrerhandbuch, in dem konkrete Vorschläge für die Planung der Unterrichtseinheiten zu finden sind.

Generelle Tipps von mir:

  • Versuche nicht, zwanghaft professionell an die Sache heranzugehen
  • Ziel der Stunden sollte nicht bloß das Erweitern der Deutschkenntnisse der TeilnehmerInnen sein, sondern vor allem die Stärkung der Motivation und Spaß am Lernen. Das gilt für alle im Kurs, auch du sollst Spaß an der Sache haben!
  • Erwarte nicht zu viele Fortschritte auf einmal.
  • Du musst nicht alles wissen. Mach dir keine Sorgen, wenn du mal eine Frage zur Grammatik nicht beantworten kannst oder dir nicht sicher bist, wie man ein Wort schreibt.
  • Hör auf Feedback. Zu schnell? Zu langsam? Welche Themen sind deinen TeilnehmerInnen wichtig?

Ich hoffe, dass du am Ball bleibst und dein ehrenamtliches Engagement fortführst. Wenn du noch irgendwelche Fragen hast, kannst du mich anschreiben, gern per Mail oder Facebook.

Viele Grüße, Kato

In der Reihe Frage & Antwort veröffentliche ich Antworten auf die Fragen, die mich per Mail oder Kommentar erreichen, und auch für andere LeserInnen interessant sein könnten. Wenn du auch eine Frage hast, schreib mir!