Nutzen und Effektivität von Hausaufgaben werden immer wieder diskutiert. Ich persönlich muss sagen, dass ich als Kind fast immer meine Hausaufgaben gemacht habe und denke, dass sie einen großen Beitrag zu meinem Lernerfolg geleistet haben. Privat bin also auf jeden Fall ein Fan von Hausaufgaben. Das bedeutet aber nicht, dass ich auch in meiner Rolle als Lehrerin immer dazu neige, Hausaufgaben aufzugeben.
Vor allem bei freiwilligen Deutschkursen ohne Anwesenheitspflicht, Notendruck und Prüfungen stellt sich die Frage: Sollen überhaupt Hausaufgaben aufgegeben werden?
Unter welchen Bedingungen sind Hausaufgaben sinnvoll?
Meiner Meinung nach gibt es drei Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit ich in einer Gruppe regelmäßig Hausaufgaben aufgebe:
- Die KursteilnehmerInnen können die Hausaufgabe alleine erledigen (i.S.v.: die Aufgabe ist nicht zu schwierig, die TeilnehmerInnen verstehen die Aufgabe und verfügen über die Ressourcen).
- Die KursteilnehmerInnen haben die Zeit und Ruhe, sich auf die Hausaufgaben einzulassen. Wenn unmittelbar im Anschluss an die Unterrichtsstunde die Kinder aus Kita und Schule kommen oder der Job ruft, werden HA eben nicht gemacht.
- Die Hausaufgaben werden von der Mehrheit des Kurses gemacht. Sonst treibt man die Binnendifferenzierung noch stärker voran (die Strebsamen lernen noch mehr, die Faulen weniger).
Was kann man als Hausaufgabe aufgeben?
Schreibaufgaben
Schreiben dauert lange und gilt als „unwichtigste“ der vier Fertigkeiten, wenn man Deutschunterricht für Geflüchtete plant.
In der Tat stimme ich zu, dass beim Anfangsunterricht erst einmal die Fertigkeiten Hören, Sprechen und Lesen im Vordergrund stehen sollten. Wenn die TeilnehmerInnen schon etwas ‚fitter‘ sind oder den Wunsch äußern, kann man auch mit dem Schreiben von Texten beginnen. Da Schreiben in der Regel zeitintensiv ist (planen, Wörter nachschlagen, korrigieren) und im Unterricht unangenehmer Zeitdruck entsteht, eignen sich Schreibaufgaben super als Hausaufgabe.
Gelerntes (in anderer Form) wiederholen
Hausaufgaben sollen neu gelernten Stoff festigen. Angenommen, man behandelt im Unterricht gerade das Thema „Familie“ und die zugehörigen Vokabeln. Während der Stunde haben einige TeilnehmerInnen mündlich ihre Familie beschreiben lassen. Als Hausaufgabe kann man nun die Verschriftlichung der Beschreibung aufgeben, z.B. fünf Sätze nach dem Muster „Das ist mein Vater. Er ist 50 Jahre alt.“ oder „Das ist meine Schwester. Sie heißt Jamila.“
Üben, üben, üben
Manche Dinge muss man einfach immer wieder pauken. Damit der Unterricht abwechslungsreich bleibt, verlegt man einen Teil davon in die Hausaufgaben. Mit (inhaltlich und grafisch) interessanten Arbeitsblättern wird’s dann auch nicht langweilig.
Kreative Übungen oder Rechercheaufträge
Unter Zeitdruck fällt es vielen Menschen schwer, kreative Ideen zu entwickeln. Deshalb eignen sich Aufgaben, bei denen die TN sich etwas Kreatives überlegen oder Informationen recherchieren sollen, gut für zu Hause.
Wie soll man die Hausaufgaben kontrollieren?
Zeit
Die Kontrolle darf nicht zu viel Zeit in Anspruch nehmen, sonst entsteht schon zu Beginn der Unterrichtsstunde eine schlechte Stimmung.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Die Hausaufgaben müssen nicht immer und vollständig kontrolliert werden. Sie gar nicht zu kontrollieren macht allerdings keinen Sinn: Erstens lernen die TN so, dass keine Konsequenzen drohen, wenn sie ihre HA nicht machen. Zweitens möchte man, wenn man Zeit und Energie in eine Aufgabe investiert hat, auch wissen, ob man sie gut gelöst hat. Kein Feedback zu bekommen ist auf Dauer frustrierend.
Abwechslung
Es gibt immer fleißige und wissbegierige TeilnehmerInnen, die bereitwillig ihre Hausaufgaben vorlesen. Sich stets auf sie zu verlassen, ist zwar bequem, doch man sollte dabei nicht die Förderung schwächerer LernerInnen vergessen.
Best practices
Wenn möglich (z.B. bei Schreibaufgaben, aber auch bei ausgeteilten Arbeitsblättern) sammle ich die Blätter ein und kontrolliere sie während einer Pause oder Einzelarbeitsphase. Häufig auftretende Fehler thematisiere ich an der Tafel (natürlich ohne zu sagen, von welcher Person dieser Fehler stammt!). Wenn es sich um „aufwändige“ Aufgaben handelt, gebe ich jeder/jedem noch ein kleines Feedback zur Aufgabe.
Manche Übungstypen, zum Beispiel Lückentexte, kann man auch zügig im Plenum kontrollieren: Satz für Satz (von versch. Personen) vorlesen lassen und abstimmen: „Habt ihr das auch?“ Per ja/nein-Zuruf oder Kopfnicken/-schütteln lässt sich ein Stimmungsbild einfangen. Wenn (fast) alle es richtig gemacht haben, fährt man fort. Wenn hingegen viele einen Fehler gemacht haben, schreibe ich ihn an die Tafel und lasse es jemanden, der es richtig gemacht hat, erklären.
Wenn die komplette Gruppe Probleme mit einer Aufgabe hatte, war sie offensichtlich zu schwierig und/oder schwer verständlich. Generell sollte man die Gruppe immer wieder fragen, ob sie die Aufgaben als leicht oder schwierig empfunden haben – das hilft nicht nur bei der Planung für die Zukunft, sondern gibt den Lernenden auch das gute Gefühl, ernst genommen zu werden.
Fazit
Ob Hausaufgaben sinnvoll sind, kommt auf die Gruppe und die Umstände an. Wenn ein Deutschkurs mit Geflüchteten noch sehr unbeständig ist und sich alle erst in die Unterrichtssituation einfinden müssen, würde ich persönlich noch keine Hausaufgaben geben. Je weiter fortgeschritten und motivierter die Lernenden sind, desto besser klappt es mit den Hausaufgaben. Grundsätzlich halte ich Hausaufgaben für sehr hilfreich beim Lernprozess!
P.S.: Mir fallen bestimmt demnächst noch mehr Punkte ein, dann wird der Artikel einfach ergänzt :)
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